Die Blumenweberin: Roman (German Edition)
bieten. Keiner kann etwas dagegen sagen, wenn sich uns einige kleine Weber aus der Touraine anschließen, Mathias. So werden die Mortagne machtlos.«
»Wir könnten sie zumindest daran hindern, anderen zu schaden.«
»Das müssen wir noch einmal genauer besprechen, aber jetzt möchte ich erst mal zu Julio, und danach hole ich dich ab.«
»Willst du nicht lieber nach Valentine sehen, ehe wir zu Dumoncelle gehen? Bertille hat heute Morgen gesagt, dass sie wieder sehr unruhig geschlafen hat.«
»Ja, ich weiß«, seufzte Alix. »Ich mache mir solche Sorgen, wenn sie so unruhig ist, aber ich fürchte, da kann man nichts machen. Sie ist nun mal ein sehr ängstliches Kind. Wir können nur hoffen, dass sich diese unerklärlichen Ängste mit der Zeit geben.«
Etwas später betrat Alix ihre dritte Werkstatt, das Kontor, in dem alle Wandteppiche gelagert oder ausgestellt und von dem aus sie nach Brügge oder Florenz geliefert wurden.
Julio und Angela arbeiteten an den beiden großen Webstühlen; an den vier Wänden um sie herum waren die fertigen Teppiche aufgehängt.
Seit Alessandros Tod wurde Alix nur noch von Jean de Villiers bei der Vermarktung ihrer Arbeiten unterstützt. Der Kardinal
war zwar in Italien sehr einflussreich, aber das reichte nicht, um den Ertrag ihrer Werkstätten so zu steigern, wie sie sich das vorgestellt hatte. Sie musste einen neuen Kommanditär in Flandern finden, um ihre Teppiche in Brüssel, Anvers, Lille und Brügge verkaufen zu können, was für sie als Frau alles andere als einfach war. Oft genug schon hatte sie erlebt, dass ihr ein Auftrag durch die Lappen gegangen war, nur weil man ihr hübsches Gesicht und ihre schmalen Schultern gesehen hatte und nicht mit einer Frau verhandeln wollte.
Mit Alessandro war alles ganz einfach gewesen. Ohne ihn und allein würde sie sich hart und unnachgiebig zeigen müssen, sie dürfte sich keine Schwäche erlauben, müsste wie ein Mann verhandeln, misstrauisch sein, alles immer wieder neu hinterfragen und einen Vertrag genau im richtigen Augenblick unterzeichnen – ja nicht zu früh und auch nicht zu spät! Alessandro hatte ihr zwar erklärt, wann man noch abwarten musste, wie man verhandelte, argumentierte, die Fallen ahnte und sie umschiffte. Der Florentiner Bankier hatte ihr sogar beigebracht, wie man die Bedingungen für einen Wechsel aushandelte und die verlangten Zinsen berechnete und übertrug, wann man Geld leihen soll und wann auf keinen Fall. Ja, Alessandro hatte sie alles gelehrt, was sie über Geld und Geschäfte wissen musste. Aber nun war sie plötzlich allein.
»Mathias und ich wollen noch einmal mit Sire Dumoncelle reden. Was hältst du davon, Julio?«
Der junge Mann unterbrach seine Arbeit und sah Alix an. Weil keine Kunden im Kontor waren, arbeitete er an einem Hochwebstuhl, auf dem ein Teppich mit einem religiösen Motiv entstand. Die Vorlage stammte von einem Brüsseler Maler und stellte eine Szene aus der Geschichte des heiligen Stephanus dar. Der Heilige ist tot und liegt ausgestreckt auf einem Millefleurs, den wilden Tieren ausgeliefert. Die Löwen, Hirsche, Affen und Einhörner bewachen ihn aber, während am Himmel Engel erscheinen und die Festungswerke einer Burg angedeutet sind. 4)
»Müsst ihr dann seinen Sohn übernehmen?«, wollte Julio wissen.
»Mit Sicherheit, weil er uns sein Grundstück nur unter dieser Bedingung verkauft. Was sagst du dazu?«
Alix fragte in allen Angelegenheiten Julio um Rat. Wenn sie seine besonnenen Ratschläge den scharfsichtigen, nicht selten mutigen von Mathias gegenüberstellte, fiel es ihr leichter, Entscheidungen zu treffen.
»Vier Werkstätten nebeneinander, die alle zusammengehören. Glaubst du nicht, dass du dir damit Neider schaffst, Alix? Handelst du nicht sehr überstürzt?«
»Wir müssen nach vorne sehen, Julio, und zusehen, dass wir wachsen und gedeihen. Wenn Alessandro noch am Leben wäre, hätte ich es genauso gemacht. Außerdem gehört das Kontor auch dir, wie du weißt. Du hast die gleichen Anteile am Geschäft wie Mathias. Es geht also nicht nur um mich. Willst du nicht eines Tages Angela heiraten und eine Familie gründen? Da fällt mir ein – wenn es so weit ist, könnte ich euch mein Haus an der Place Foire-le-Roi überlassen und in mein Haus am Hauptplatz ziehen!«
»Was wird dann aus Mathias?«, erwiderte Julio auf der Stelle.
Bei dieser simplen Frage errötete Alix. Aber natürlich, Mathias würde niemals Alessandros Haus betreten, geschweige dort wohnen wollen!
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