Die Blumenweberin: Roman (German Edition)
Duft, den Marguerite allmählich betäubend fand. Wäre nicht das große Feuer gewesen, das fröhlich und geradezu ungeduldig knisterte, wäre die junge Braut vielleicht einfach eingeschlafen.
Wieder streckte Marguerite ihre Beine auf der Bettdecke aus
und blickte zu der großen Tür, die sich gleich wie der Deckel einer Zauberkiste den gewagtesten Andeutungen, dem perlenden Gelächter der Damen, dem etwas kräftigeren Lachen der Männer und den anzüglichen und wohlüberlegten Anspielungen, allen voran denen ihres Bruders, öffnen sollte.
Lieber Himmel! Wie erleichtert sie wäre, wenn es diese Nacht nicht gäbe, das unselige Warten, die bitteren Momente und diese Unmengen seltsamer Blumen, die Marguerite mehr und mehr so vorkamen, als wollten sie sie verspotten!
Die vorhergegangenen vier Nächte, wenngleich kurz wegen der Festivitäten, waren Marguerite sehr lang vorgekommen, weil sie vor lauter Grübeleien nicht schlafen konnte.
Warum mussten junge Mädchen um Himmels willen in einer einzigen Nacht zur Frau werden? Inwiefern würde sich damit etwas an ihrer Reife ändern?
Blanche de Tournon, die sich sonst wirklich nicht so leicht aus der Ruhe bringen ließ, wirkte immer nervöser.
Mit fahrigen Händen und starrem Blick lief sie ständig zwischen der verschlossenen Tür, dem breiten Ehebett und dem Fenster hin und her. Zwischendurch blieb sie in Gedanken versunken vor dem Kamin stehen.
Sie trug ein perlgraues Kleid mit weißem Pelzkragen und wie üblich eine schwarze Samthaube, unter der sich ihre goldenen Locken verbargen. Wegen der Haube hatte sie Marguerite in ihrem jugendlichen Eifer schon öfter kritisiert und sich gewünscht, sie würde ihre schönen blonden Locken nicht länger verstecken.
Doch an diesem Abend hatte Blanche anderes im Sinn als die kindlichen Albernheiten von Marguerite. Stattdessen rückte sie hastig die Bettdecke zurecht, die Marguerite in Unordnung gebracht hatte.
Wenn Catherine, das junge Zimmermädchen, an dem hektischen Abend ruhiger wirkte als Blanche, so täuschte das, denn sie war die ganze Zeit auf der Suche nach einer vergessenen Kleinigkeit, die den minutiös geplanten Ablauf des Abends stören könnte.
»Kannst du bitte die Blumen wegbringen, Catherine?«, sagte Marguerite plötzlich, während sie sich an den Nacken griff. »Ich bin wie benommen von dem Geruch und kriege kaum noch Luft.«
»Aber das geht doch nicht, Demoiselle Marguerite«, meinte das Zimmermädchen erschrocken. »Euer Gatte muss sie doch sehen können, weil sie ein Symbol für Eure …«
»Sei still, Catherine, und bring die ganzen Vasen weg. Ich ertrage ihren Anblick nicht länger.«
Wortlos kam Catherine der Aufforderung nach und stellte die Blumenvasen vorsichtig auf eine Truhe am anderen Ende des Zimmers, wobei sie allerdings wie zufällig ein paar kleine Sträuße auf dem Teppich verlor.
Blanche seufzte wieder und ordnete zum vielleicht zehnten Mal die Bürsten, Kämme und Cremes neu, mit denen sie eben noch das junge Mädchen herausgeputzt hatte. Plötzlich hörte sie damit auf und wandte sich an Marguerite.
»Ihr müsst Euch unter die Bettdecke legen, Marguerite, damit sie Euer Gatte aufschlagen kann«, sagte sie scheinbar beiläufig.
Marguerite sah sie erstaunt an, um dann aber brav unter die Decke zu schlüpfen.
»Seid Ihr nun zufrieden?«
Blanche ließ eine Bürste mit versilbertem Griff fallen, die Catherine sofort aufhob und zurücklegte. Sie nickte, hörte mit
dem sinnlosen Herumrücken der Toilettengegenstände auf und ging langsam zum Bett.
Mit besorgter Miene, aber einem Lächeln auf den schmalen Lippen, strich sie Marguerite zärtlich übers Gesicht.
»Sehr gut, jetzt ist alles bereit. Die Blumen sind zwar ein bisschen weit weg, aber ihr Duft hängt in der Luft. Das wird dem Duc d’Alençon gefallen. Und Ihr seht bezaubernd aus. Euer Haar glänzt wunderschön, und Euer Nachthemd ist noch verführerischer als das der Königin bei ihrer Hochzeitsnacht. Ich bin sicher, die Comtesse wird sehr zufrieden sein.«
Wieder strich sie Marguerite übers Gesicht, wobei sie spürte, dass die Stirn ihres Schützlings ein wenig feucht war.
»Geht es Euch gut?«, fragte sie besorgt.
»Ja, doch, ich glaube eher, dass es Euch nicht gut geht, Blanche. Man könnte fast meinen, heute wäre Eure Hochzeitsnacht.«
Als sie sah, dass ihre Freundin errötete, bereute sie ihre Worte sofort und versuchte schnell, sie wiedergutzumachen.
»Verzeiht mir, bitte Blanche. Ich weiß doch, dass Euch der
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