Die Blumenweberin: Roman (German Edition)
vergangene Zeiten, und ich will auf keinen Fall ans Alter und an früher denken, wenn ich mit einem so hübschen Geschöpf wie Euch zusammen bin.«
»Wir müssen aber leider von früher reden, Sire, weil ich hier bin, um Euch die sechs Wandteppiche von dem Ensemble anzukündigen, das Ihr bei unserem letzten Treffen in Auftrag gegeben habt. Ich will sie Euch noch bringen lassen, ehe Ihr zu Eurem nächsten Italienfeldzug aufbrecht.«
»Sind sie schön geworden?«
»Oh ja, Sire! Ich glaube, Ihr habt noch nie solch prächtige Wandteppiche gesehen. Erlesene Farben, und die Seidenfäden harmonieren aufs Schönste mit den Leinenfäden und feinsten Wollfäden aus England und Spanien. Ich kann Euch versichern, die Teppiche sind ein wahres Kunstwerk. Die Ritterszenen sind ganz im antiken Stil gehalten, während die Schlachtenszenen
eher pastoral anmuten – und das alles auf einem prachtvollen Millefleurs.«
»Gibt es auch Pferde?«, wollte der König, den Alix’ Begeisterung angesteckt hatte, wissen.
»Aber ja, Sire! Pferde mitten im Kampfgetümmel, Ritter mit Lanzen und Wimpeln. Wir haben besonderen Wert auf die Heraldik gelegt, und ich habe persönlich darauf geachtet, dass Euer Wappen mehrmals erscheint.«
»Mein Stachelschwein!«
»Ja, Sire, Euer Stachelschwein taucht einige Male und immer an der richtigen Stelle auf.«
»Sehr schön, das gefällt mir! Kommt doch etwas näher. Aus der Entfernung können wir uns gar nicht richtig unterhalten. Setzt Euch doch bitte auf meine Bettkante. Ich bin wirklich sehr glücklich, dass die Teppiche endlich fertig sind. Hatten wir nicht eigentlich eine Lieferzeit von drei oder vier Jahren vereinbart?«
Alix näherte sich dem königlichen Bett und sah dabei Charles d’Amboise an, der sich ans andere Ende des Zimmers zurückgezogen hatte. Er lächelte spöttisch und schien nur darauf zu warten, dass er sie in die Enge treiben und ans Ziel seiner Wünsche gelangen konnte.
»Ja, Sire, die Anfertigung Eurer Teppiche hätte nicht länger als drei oder vier Jahre dauern sollen«, antwortete Alix und nahm auf dem Bett des Königs Platz. »Nun haben wir doppelt so lange gebraucht, doch daran waren die vielen Hindernisse schuld, die mir in den Weg gelegt wurden.«
»Wovon sprecht Ihr? Ich weiß nur, dass Euer verstorbener Gatte zu den Opfern der verfluchten Pest gehört hat.«
»Das stimmt, und dieser Schicksalsschlag hat mich am
schwersten getroffen. Doch dazu kamen noch andere unglückliche Ereignisse. Meine Werkstatt wurde von Brandstiftern in Schutt und Asche gelegt, Sire, weshalb ich lange Zeit die Herstellung der Teppiche einstellen musste. Schließlich musste ich auch noch in den Norden reisen, um der Gilde mein Meisterstück zu präsentieren.«
»Ja, richtig. Wie dumm von mir, das zu vergessen! Ihr hattet Louise gebeten, sich dafür einzusetzen, dass ich als Euer Tutor vor der Kommission auftrete, was mir aber leider unmöglich war, weil ich mich zu der Zeit in Italien aufhielt. Wer hat dann eigentlich Euren Fürsprecher gemacht?«
»Kardinal Jean de Villiers, der Onkel meines Mannes.«
»Gerechter Gott! Dieser Name ruft die Erinnerung an Zeiten in mir wach, als ich noch weit vom Königstitel entfernt war. Und das mir, der ich nicht älter werden wollte! Ach, was waren das noch für Zeiten, als Jean und ich durch die Bretagne geprescht sind, weil ich gegen meine schreckliche Schwägerin, die Regentin Anne de Beaujeu rebelliert hatte! Verdammt noch mal, Jean hatte richtig Temperament!«
Er sah sich nach Charles d’Amboise um und hätte beinahe gesagt: Seinen Namen wollte ich vorher nennen, als ich von der Frau sprach, die ich beinahe verführt hätte, deren Herz aber einem anderen gehörte. Doch er schwieg wieder. Stattdessen zupfte er an seiner Bettdecke und sagte: »Reden wir nicht mehr davon. Sonst werde ich noch ganz trübsinnig und bekomme Alpträume.«
Dann setzte er sich wieder auf und begann zu lachen.
»Kommt bitte noch etwas näher, damit ich die Farbe Eurer Augen erkennen kann. Sie haben sich nicht verändert und funkeln noch genauso lebhaft wie früher«, stellte er mit einem bewundernden
Blick auf ihre Frisur fest. Sie trug ihr Haar nach Florentiner Mode. Passend zu ihrem Kleid waren die einzelnen Strähnen mit Silberfaden und schmalen blauen Bändern zu schmalen Locken gedreht. Ein paar waren mit Silberband hochgesteckt, ein Teil schmückte ihren Hinterkopf, der Rest diente als schöner Rahmen für ihr Gesicht.
»Wegen meiner langen Reise in den Norden
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