Die Blumenweberin: Roman (German Edition)
und der erzwungenen Untätigkeit in meiner Werkstatt musste ich mit anderen Webern zusammenarbeiten. Deshalb ist ein Großteil der Teppiche in den Pariser Werkstätten in der Rue du Faubourg Saint-Jacques entstanden. Ich versichere Euch aber, dass wir die Arbeiten zu jedem Zeitpunkt überwacht haben.«
»Das will ich doch annehmen«, antwortete der König. »Charles, tretet nun bitte vor, und erzählt mir von Euren Plänen.«
»Es handelt sich eigentlich nicht um Pläne, Sire, sondern um ein beinahe fertiges Ensemble. Die kleinen Werkstätten auf Chaumont sind dabei, ein grandioses Kunstwerk aus sechs Teppichen mit herrschaftlichen Szenen auf Millefleurs fertigzustellen.«
Er wandte sich zu Alix und deutete eine Verbeugung an.
»Ihr müsst Euch diese Teppiche unbedingt ansehen, Alix. Deshalb lade ich Euch nach Chaumont ein.«
Alix sah ihn lange an, sagte aber nichts; nur ein Lächeln umspielte ihre Lippen. »So ist das also«, dachte sie sich, »darauf wollte er hinaus: mich vor dem König einladen, damit ich nicht nein sagen kann.«
»Offen gestanden bin ich seit meiner Rückkehr aus Florenz etwas von den Millefleurs abgekommen«, sagte sie und erwiderte den Blick seiner grauen Augen. »Zur Zeit beschäftige ich mich eher mit Renaissancethemen.«
»Ich kann Euch aber versichern, dass diese Millefleurs unvergleichlich sind.«
»Das glaube ich Euch gern.«
»Seht sie Euch doch einfach an, Alix«, mischte sich der König ein. »Das verpflichtet Euch zu nichts. Anders gesagt: Ich verpflichte Euch dazu, weil ich nicht möchte, dass es heißt, die Weberin, die meine Teppiche angefertigt hat, kenne die anderen Teppichwebereien aus dem Val de Loire nicht.«
Alix erhob sich von der königlichen Bettkante, ging auf Charles d’Amboise zu und sagte: »Also gut, Ihr habt gewonnen, Seigneur d’Amboise. Ich komme.«
6.
Marguerite lag auf dem großen Ehebett und erwartete ängstlich den Mann, der sie gleich zur Frau machen sollte. Wie oft schon hatte sie sich diesen Moment ausgemalt, obwohl sie den Gedanken daran immer wieder zu verdrängen suchte.
Während die Zofe Blanche und ihr Zimmermädchen Catherine noch hektisch und hilflos herumhantierten, um sie abzulenken, kläffte und kratzte die Windhündin Prunelle hinter der Tür, weil man sie ausgesperrt hatte. Zum ersten Mal in ihrem Hundeleben wurde sie so behandelt, weshalb die arme Prunelle sich ganz zu Recht ärgerte und mit der schweren Tür kämpfte, die natürlich keinen Millimeter nachgab.
In dieser Nacht, in der die Ehe von Charles und Marguerite d’Alençon vollzogen werden sollte, durfte Prunelle nämlich nicht zu ihrer jungen Herrin, nicht einmal für ein paar Streicheleien, die sie vielleicht beruhigt hätten.
Nach einigen Stunden erfolglosen Aufbegehrens war Prunelle dann aber so müde, dass sie sich hinter der Wand, die sie von ihrem Frauchen trennte, zusammenrollte und einschlief.
Marguerite streckte ihre Beine aus. Ein Fuß war eingeschlafen, und es prickelte in ihren Zehen.
Sie seufzte und blickte zerstreut zu dem großen Fenster mit
dem dicken flämischen Vorhang und seinem Muster aus exotischen Blumen und Vögeln.
Das Ehebett beanspruchte fast die gesamte Rückwand des Zimmers, die man für die Hochzeitsnacht mit kostbaren weißen Seidenstoffen verhängt hatte. Die Bettvorhänge, sonst aus gelbem Damast, weil gelb und blau die Lieblingsfarben von Château de Blois waren, hatte man durch andere aus goldgemustertem weißem Damast ersetzt.
Noch nie im Leben hatte Marguerite sich so unsicher gefühlt wie an diesem Abend, zwang sich aber, ihre Befürchtungen zu kaschieren, und übertrieb es mit der Selbsttäuschung dermaßen, dass sie sich unter irgendeinem einigermaßen phantastischen Vorwand selbst zulächelte, um ihre Angst zu besiegen.
Catherine sagte kein Wort, aber Blanche versuchte ihren Schützling mit ängstlicher Aufmerksamkeit zu beruhigen: So bewunderte sie ihren Teint, ihre Frisur und das reizende Nachthemd mit dem großen Ausschnitt.
Selbstverständlich hatte Blanche das junge Mädchen über den Ablauf dieser ganz besonderen Nacht behutsam unterrichtet. Unter vier Augen hatten sie alle Möglichkeiten erwogen, sämtliche Unklarheiten in stundenlangen Gesprächen auszuräumen versucht, und Marguerite war nun gewissermaßen bereit.
Um das Bett verteilt standen große Vasen mit dicken Sträußen weißer Blumen, die so vornehm blass waren, dass sie schon fast langweilig wirkten, und erfüllten den ganzen Raum mit ihrem betörenden
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