Die Blumenweberin: Roman (German Edition)
für reichlich barbarisch hielt, wenn man sich gegen seinen Willen in die Arme eines Ehemanns werfen musste, den man nicht liebte, wollte sie den Tatsachen mutig ins Auge sehen.
Wie schäbig musste eine Gesellschaft sein, wenn sie zum Beweis einer Reife, die Marguerite ihrer Meinung nach längst besaß, solche Machenschaften verlangte?
Dabei war es eine Ironie des Schicksals. Wäre nämlich der verführerische Gaston de Foix, der in Italien gefallene Herzog von Nemours, jetzt an Charles d’Alençons Stelle gewesen, hätte sich Marguerite nach den Umarmungen gesehnt, die sie ins Reich der größten Glückseligkeit zu führen versprachen.
Charles war zwar gewiss kein kalt lächelnder Wüstling, machte sich aber doch ohne jegliche Intuition an den Vollzug, woraus ersichtlich wurde, dass er beim Liebesspiel nur an sich selbst dachte.
Während er sie von oben bis unten ansah, bewegte sie sich nicht. Eine Weile forschte jeder im Blick des anderen. Doch dem stürmischen Soldaten hatte das Warten schon viel zu lange gedauert. Mit einer schnellen Handbewegung schlug er die Bettdecke zurück und musterte den Körper seiner Frau. Marguerite wagte kaum zu atmen.
Sollte er etwa sentimentale Schwäche zeigen und vorher die intimen Stellen streicheln, die sie ihm gleich schenken wollte?
Außer dem betörenden Duft der Blumen, der Hitze des Kaminfeuers und der kaum enthüllten Geheimnisse, die sich Marguerite in Ermangelung von Gewissheit zusammengereimt hatte, außer der Begeisterung, die sie in flüchtigen Wellen überkommen war, blieben dem jungen Mädchen nur verstörte Blicke, als sich ihr Mann plötzlich auf sie stürzte.
Es traf sie so unerwartet und überraschend, dass sie unter der schweren Last seines Körpers kaum noch Luft bekam.
Ihr Magen verkrampfte sich, und sie zuckte vor Schmerz zusammen. Natürlich wusste sie, dass die Hochzeitsnacht selten
ein freudiges Ereignis war. Aber wie sollte sie sich jetzt verhalten?
Der Atem von Charles, der ihr direkt ins Gesicht schlug, stank nach Alkohol, und als sie begriff, dass ihr Gatte ihren Mund so schnell nicht wieder freigeben würde, blieb ihr nichts anderes übrig, als sich hinzugeben – ohne jedoch die Glückseligkeit zu erleben, von der ihr Bruder tausendfach erzählt hatte und die sie mit dem zärtlichen, galanten Nemours gewiss genossen hätte.
Wollte sie vielleicht jetzt, überwältigt und sich dem Erstickungstod nahe fühlend, lieber an das Schicksal ihres Bruders denken als an das eigene? Das Feuer prasselte, und sie hörte die Schritte von Catherine, die es zu hohen, zuckenden Flammen anfachte, unersättlich wie Zungen auf der Suche nach einer Wollust, die sie selbst wohl nicht kennenlernen würde.
Auch wenn die Bettvorhänge zugezogen waren, spürte sie doch Blanches Gegenwart, die sich am anderen Ende des Ehegemachs auf eine Couch gelegt hatte. Was tat ihre ergebene Dienerin anderes, als auf den Schrei, das Keuchen oder Stöhnen zu warten, die sie von dem gelungenen Vollzug der Hochzeitsnacht überzeugt hätten?
Marguerite zuckte zusammen. Größtes Unbehagen überkam sie, als Charles ihr Nachtkleid hochschob und mit der Hand grob in den seidigen Flaum ihrer Scham griff.
In ihrer nur zu verständlichen Unschuld hatte sie gehofft, dass sie wenigstens ein paar Worte wechseln würden, und dass die Ereignisse, deren Abfolge sie nicht kannte, wenn auch nicht mit Zartgefühl, so doch immerhin mit Verständnis aneinandergereiht würden.
Doch nichts dergleichen geschah. Stattdessen bewies Charles
d’Alençon mit derben Stößen seine überbordende Manneskraft. Das Liebesspiel wurde zu einer militärischen Übung, in der es keinen Platz für Gefühle gab.
Er stieß heftig, wurde immer schneller und folgte seinem Trieb, ohne sich auch nur im Geringsten um die Empfindungen seiner Braut zu kümmern.
Der liebliche Duft der Blumen und die beißende Luft, die vom Kamin kam, vermischten sich mit dem nach Alkohol riechenden Atem ihres Mannes.
Gott im Himmel! Ein Schmerz bohrte sich in ihren Bauch, schlimmer noch als die vorhergegangenen. Da fielen ihr wieder die sarkastischen Bemerkungen der Baronin ein: »In solchen Fällen ist die Soldatensprache am besten, meine Kleine. Vergesst das nicht. Antwortet ihm mit frechen Scherzen, hebt Eure Beine, schwingt das Becken, zuckt und schreit.«
Nein, solch ein Schmierentheater würde Marguerite nie aufführen. Alles, was sie tun konnte, war, ihren Körper zur Verfügung zu stellen. Das war eine ihrer Charakterstärken,
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