Die Blumenweberin: Roman (German Edition)
die sie von ihrer Mutter geerbt hatte und die François nicht besaß. Und die es den beiden Frauen möglich machte, alles, was unangenehm oder aussichtslos schien, tief unten in einem versteckten Winkel ihrer Seele zu vergraben.
Was auch geschah, eine Frau musste sich immer fügen. François hatte gut reden. Ihre Mutter schöpfte die Wahrheit aus einer Erfahrung, die sie sehr gut kannte und deren Klippen sie tausendfach hatte umschiffen müssen.
Während Marguerites Körper unter den heftigen Stößen ihres Mannes bebte, kam ihr ein Gedanke, der ihren Widerwillen verdrängte. Ein Gedanke, der zu den Vorstellungen ihrer Mutter passte. Eine Frau musste erst schweigend erdulden, ehe sie sich
mit kluger, brillanter und unfehlbarer Logik aus der scheinbaren Ausweglosigkeit befreien durfte.
Der Schmerz hatte nachgelassen und einer Art bitterem Verdruss Platz gemacht. Auf der anderen Seite der Bettvorhänge wartete Blanche auf den vielsagenden Seufzer, den Marguerite verweigerte, weil sie das köstliche Glücksgefühl nicht erfahren hatte.
»Glaubt Ihr, der Herzog von Alençon hat seine ehelichen Pflichten schon erfüllt?«, flüsterte Catherine nervös.
Das Zimmermädchen bezweifelte, genau wie die Zofe, dass sich Marguerite zu irgendwelchen verlogenen Gesten hinreißen ließ.
»Wie ich sie kenne, gibt sie keinen Laut von sich, weder vor Schmerz noch aus Freude.«
»Hat sie denn nicht einmal ein bisschen gestöhnt oder geseufzt, damit wir sicher sein können?«, fragte Catherine leise.
»Ich habe nichts gehört, schlage aber vor, wir verstehen das als vielversprechendes Schweigen und werden dem neugierigen Hofstaat morgen den glücklichen Vollzug der Ehe vermelden«, flüsterte Blanche.
Sie schlüpfte unter ihre Decke, seufzte, streckte sich und sagte noch leiser: »Geht jetzt schlafen, Catherine. Ich bin mir ganz sicher, dass wir von Marguerite nichts mehr hören werden.«
Wie gut kannte Blanche ihren Schützling! Und was hätte sie jetzt auch sonst tun sollen, als auf den Schlaf zu warten? Früher oder später würde ihr Marguerite ohnehin ihr glückloses Herz öffnen.
Diener und Zimmermädchen waren verschwunden, und Catherine legte sich auf den Strohsack neben Blanches Liege. Die vergangenen Tage hatten für sie viel Arbeit bedeutet und sie
war erschöpft. Sie starrte in die rote Glut und fiel wenig später in tiefen Schlaf, ohne sich weiter um ihre Herrin zu sorgen.
Auf Marguerite aber wartete noch eine Überraschung, und zwar die einzigen Worte, die Charles nach seinem siegreichen Angriff aussprach, die Worte eines tapferen Soldaten, der in vollen Zügen von der noch unreifen Frucht seiner kleinen Frau gekostet hat.
Marguerite rührte sich noch immer nicht. Die Worte erreichten ihr Ohr wie Sendboten einer unvorstellbaren fremden Welt. Worte, die Blanche wahrscheinlich mithören musste, weil sie noch nicht eingeschlafen war.
»Ich bin sehr zufrieden mit Euch, Marguerite! Jetzt kann ich es ja offen sagen: Ich hatte nicht mit so viel Anschmiegsamkeit Eurerseits gerechnet. Bleibt so, und mit uns wird es bestens gehen.«
Die junge Frau sagte keinen Ton, was auch gar nicht nötig war, weil ihr Mann ohne auf eine Antwort zu warten fortfuhr: »Ihr werdet mit meiner Mutter und Eurer Zofe nach Alençon reisen. Wir sehen uns dort später wieder.«
»Später?«, konnte Marguerite diesmal nicht umhin zu flüstern.
Er hatte sich von ihr weggedreht, lag mit dem Gesicht zur Wand, streckte seine langen Beine aus, machte einen Seufzer und erklärte, ehe er einschlief und sofort zu schnarchen begann: »Wenn ich in ein paar Stunden aufstehe, schlaft Ihr noch. Adieu, Marguerite. Wir sehen uns auf meinem Schloss.«
Wie hätte Marguerite schlafen sollen, während ihr Leib schmerzte und sie mit keinem Wort getröstet wurde? Sie beschloss, die Stunden verstreichen zu lassen, ohne sich weitere Fragen zu stellen. Der Beginn ihres Lebens als Frau musste bis zum Morgengrauen warten.
7.
Nichts ahnend von den Aufregungen, die sich in ihrem eigenen Haus an der Place Foire-le-Roi abspielten, bereitete Alix ihren Ausflug nach Chaumont vor. Léo sollte die weiße Césarine satteln, die ihr für den angenehmen, kurzen Ritt nach Tours am liebsten war.
Ehe sie sich auf den Weg machte, wollte sie aber noch Mathias einen Besuch abstatten, der im Anbau des Hauses zwei große, helle Zimmer bewohnte. Das eine war sein Schlafzimmer, in dem er gelegentlich auch an einem Entwurf arbeitete, wenn er ungestört sein wollte, in dem anderen
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