Die Blumenweberin: Roman (German Edition)
es kaum Dienstboten. Wahrscheinlich brachte Jeanne d’Amboise ihre eigenen Leute mit, wenn sie nach Chaumont kam. Die wenigen Dienstboten aber, die Alix entdecken konnte, waren wohl kaum darauf aus, über das Tun und Lassen ihres Herrn zu tratschen. Nie würde es ihnen in den Sinn kommen, ihn zu verraten, weil sie Seigneur Charles vermutlich schon kannten, seit er als Dreikäsehoch zwischen ihren damals noch flinken Beinen herumgetollt war.
Der alte Reitknecht mit seinem krummen Rücken schenkte ihm ein zahnloses Lächeln, ehe er Césarine wegführte, und der nicht weniger alte Stallknecht blickte wohl schon zeitlebens etwas dümmlich drein.
Der dicke Koch hatte seine Jugend ebenfalls längst hinter sich und kam nur äußerst mühsam vom Fleck. Er setzte sich eigentlich nur in Bewegung, wenn er irgendetwas in der Küche brauchte, obwohl ihm die alte Frau, die das Gemüse putzte und das Geschirr spülte, sowieso meist das Wasser, das Öl oder das Mehl holte, das er mit lautem Geschrei verlangte.
Zu dem spärlichen Personal gehörten außerdem zwei alte Ehepaare, die bereits seit beinahe vierzig Jahren als Dienerinnen und Knechte auf Chaumont ihre Arbeit taten und Charles von Kindesbeinen an bedienten.
Erst als sie das Schloss auf der Rückseite verließen, um zu den Werkstätten zu gelangen, bemerkte Alix das ganze Ausmaß des Durcheinanders, das die Umbauarbeiten verursachten. Bis zu dem nahen Talgrund stand alles voller Zelte und Holzhütten, lauter provisorische Behausungen, die sich schnell wieder aufbauen ließen, wenn sie ein allzu starker Windstoß umgeworfen hatte.
Es war ein heilloses Durcheinander aus Bauholz und Werkzeugen, Seilen und Holzscheiten, Karren, abgesägten Baumstämmen und zahllosen Rundhölzern, die man unter je zwei zusammengebundene Planken legte, um damit die Unmengen schwerer Steine zu transportieren. Mensch und Tier durften sich nur nachts ausruhen; tagsüber mussten die eingespannten Pferde und Ochsen mit ihren Lasten ununterbrochen von einer Baustelle zur nächsten gehen.
Bauleute und Vorarbeiter waren von oben bis unten mit dem feinen Staub bedeckt, der beim Schneiden der großen weißen Steine entstand. Die Vorarbeiter erhielten ihre Anweisungen von den Architekten, den Maurermeistern und Steinmetzen, die überall herumliefen, um den ordnungsgemäßen Ablauf der Arbeiten zu überwachen.
Und genau hier, mitten in diesem Tohuwabohu aus Gerüsten, Steinhaufen, Werkzeugen, Stricken und Planen, befanden sich die Teppichwerkstätten von Chaumont.
Wo also Schreiner und Zimmerleute, Maurer und Steinmetze
herumwuselten, arbeiteten in all dem Dreck und Lärm, bei Wind und Kälte und anderem Unbill, das für die Herstellung von Tapisserien nicht gerade förderlich war, die Weber von Charles d’Amboise.
Alix musste beinahe lachen, als sie daran dachte, wie Mathias sie nach der Bedeutung der Werkstätten des Sire d’Amboise gefragt hatte. Welchen Ruf sie genossen? Wie groß sie waren? Das alles kam Alix jetzt einfach nur noch lächerlich vor. Hatte sich Charles über sie lustig gemacht? Hatte er sie nur nach Chaumont gelockt, weil er sie dort leichter verführen und dahin bringen konnte, wo er sie haben wollte?
Die Werkstätten hier bestanden aus einer Reihe notdürftig überdachter Holzhütten, die offenbar nicht einmal den Regen abhielten, wovon die leeren Eimer in den Ecken zeugten.
Hinter Bohlen und Eisenträgern, Steinblöcken und Werkzeugen tauchten auf einmal die Hochwebstühle auf, und Alix riss vor Staunen über die Wunderwerke, die darauf entstanden, die Augen auf – sieben Teppiche aus Wolle und Seide, die schon weit gediehen, aber noch längst nicht fertig waren. Sie bildeten ein außergewöhnlich schönes Ensemble, das Geschichten aus dem höfischen Leben erzählte. Alix hatte selbst oft genug herrschaftliche Szenen mit Einhörnern, Hunden und Pferden, prachtvoll gekleideten Edelleuten und höfischen Gebräuchen wie Jagden, Musikstunden, Spaziergängen oder anderem Zeitvertreib an Prinzenhöfen gewebt. Doch diese Teppiche waren von verblüffender Schönheit.
Alix nahm sich Zeit und betrachtete jeden einzelnen Teppich ganz genau, ehe sie die Überschriften las: Der Spaziergang, Das Bad, Die Handarbeit, Das Lesen, Die Musik, Aufbruch zur Jagd, Galanterien. Die Galanterien gefielen Alix auf Anhieb am besten, aber das ganze Ensemble war von beeindruckender Schönheit und Harmonie. 7)
Dass sich Alix für diese Werke begeistern konnte, war kein Wunder. Schließlich
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