Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Blumenweberin: Roman (German Edition)

Die Blumenweberin: Roman (German Edition)

Titel: Die Blumenweberin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jocelyne Godard
Vom Netzwerk:
mir einige Tage seiner kostbaren Zeit schenkt, von der er angeblich auch einen Teil seiner trübsinnigen Gattin widmen muss.
    Ach, meine liebe Alix, meine Leidenschaft für ihn ist noch immer sehr groß. Ob ich wohl eines Tages davon erlöst sein werde? Manchmal frage ich mich, ob es wirklich das ist, was ich mir wünsche. Da sind noch so viele vertrauliche Gesten, so viele Worte, die wir uns sagen wollen, so viele Gedanken, die wir über die Felder und Wälder schicken, die uns trennen.
    Ich habe gehört, Ihr wollt zum Frühlingsbeginn nach Alençon reisen. Um die Zeit zeigen sich die normannischen Wiesen von ihrer schönsten Seite. Ich weiß, dass Ihr stets begierig Eindrücke
für Eure schönen Teppiche sammelt. In der Normandie könnt Ihr in aller Ruhe Millefleurs studieren, die dann in voller Pracht stehen. Die Wiesen sind voll davon – Himmelsschlüssel und Butterblumen, Klatschmohn und Margeriten, alle Farben sind vertreten. Ach, ich freue mich jetzt schon auf die Galanterien, die Ihr für Charles d’Amboise weben wollt. Richtet ihm bitte aus, dass ich sie sehr gern in seinem Schloss bewundern würde, wenn sie fertig sind und es mich einmal in die Nähe von Chaumont verschlägt.
    Liebe Alix, umarmt und küsst Marguerite bitte ganz herzlich von mir und sagt ihr, sie soll mich besuchen, ehe ihr Gatte zurückkommt. Vor allem aber müsst Ihr auf der Rückreise unbedingt zu mir nach Amboise kommen. Ich erwarte Euch sehnsüchtig.
     
    Mit den herzlichsten Grüßen von
Eurer Louise.
    Alix faltete den Brief sorgfältig zusammen. Bestimmt las sie ihn später noch einmal, aber Mathias wollte sie nicht davon erzählen. Und sollte Bertille nachfragen, würde sie ihre nächste Reise mit keinem Ton erwähnen.

9.
    Seit sie in Alençon wohnte, unternahm Marguerite häufig lange Ausritte, um sich über die Bitterkeit hinwegzutrösten, die an ihr nagte.
    Allerdings wollte sie nicht im Verdruss über die Eintönigkeit ihres neuen Zuhauses versinken und bemühte sich stattdessen, die brave junge Ehefrau zu spielen. Dies wiederum gefiel der alten Herzogin von Alençon, die an ihrer Schwiegertochter Qualitäten zu entdecken begann, die sehr gut zu ihrer eigenen Unbescholtenheit und Tugendhaftigkeit passten.
    Marguerite blieb zwar fügsam genug, um diese neuen Fesseln zu ertragen, wobei ihr auch ihr anpassungsfähiges Wesen zugute kam, war jetzt aber auch überzeugt, dass sie eine heftige Leidenschaft von ihrem geliebten Bruder entfernt hätte. War es überhaupt möglich, der übergroßen Liebe zu zwei Menschen gerecht zu werden?
    Nach mehreren Nächten, die wegen der Wiederholungsfehler ihres Gatten unweigerlich damit endeten, dass sich jeder hinter seinen verletzten Gefühlen verschanzte, hatte Marguerite für sich eine Entscheidung getroffen.
    Da sie keine Möglichkeit sah, etwas an dieser unerfreulichen Situation zu ändern und die wenigen Nächte gereicht hatten,
um ihr klarzumachen, dass keine Verliebtheit mit ihrem Mann aufkommen würde, versuchte sie sich wenigstens die tiefe Zuneigung für ihren Bruder zu bewahren.
    Allerdings hätte nicht viel gefehlt und Marguerite hätte sich ihrer Schwiegermutter anvertraut, denn während es dem Herzog von Alençon an den elementarsten Kenntnissen der weiblichen Psyche mangelte, verfügte die alte Dame sehr wohl über das Einfühlungsvermögen, das ihrem Sohn so sehr abging. Es hätte ihr also durchaus auffallen können, wie ungewöhnlich sich das junge Paar benahm.
    Gebildet wie sie war, hatte die betagte Herzogin sehr schnell begriffen, dass sich ihr Sohn jeder intellektuellen oder künstlerischen Diskussion verschloss und dass es Marguerite trotz ihrer offenen Art schwerfiel einzusehen, dass ihr Mann nichts von den kulturellen Errungenschaften ihrer Epoche hielt.
    Charles d’Alençon war eben in erster Linie Soldat. Doch warum mussten bestimmte Vorzüge andere Qualitäten unterdrücken? Charles kam und ging, zog in den Krieg, wie ein Bauer aufs Feld geht oder ein Feldhüter in seinen Wald.
    Marguerites Bruder François war der geborene Kämpfer, Krieger und Soldat und besaß, genau wie Charles d’Alençon, eine unbändige Leidenschaft für Degen und Schwert, war aber dennoch gebildet und intellektuell nicht unbewandert.
    Doch der eine war nun einmal ihr Mann und der andere ihr Bruder. Der eine umgab sich ausschließlich mit Kampfgenossen, Jägern und Landadeligen auf der Suche nach lärmenden, zügellosen Veranstaltungen, während der andere die Gesellschaft von Musikern und

Weitere Kostenlose Bücher