Die Blumenweberin: Roman (German Edition)
Hauses Angoulême, das Louise immer verwendete, um ihre Briefe zu verschließen, und begann zu lesen.
Meine liebe Alix,
soeben erfahre ich, dass Ihr bald Château d’Alençon einen Besuch abstatten wollt, wohin Euch Marguerite eingeladen hat. Das freut mich sehr, weil es eine schöne Abwechslung für sie bedeutet. Anschließend will sie die Abwesenheit ihres Gatten nutzen, um ins Val de Loire zu kommen. Sie muss sich zwischen Amboise, wo sie mir ein wenig Gesellschaft leisten soll, und Blois, wo sie sehnsüchtig von ihrem Bruder erwartet wird, aufteilen.
Im selben Brief schreibt mir Marguerite, dass Euch Charles d’Amboise begleiten wird. Er wurde selbstredend vom Duc d’Alençon eingeladen, der sich nun aber überraschend wieder den Truppen in Italien anschließen musste.
Auf Drängen von Charles d’Amboise, der offenbar unter allen Umständen Eure prächtigen Einhörner an den Wänden des Château d’Alençon bewundern will, hat Marguerite die Einladung an ihn nicht zurückziehen wollen.
Wie Ihr wisst, meine liebe Alix, mochte ich seinen Onkel, den Kardinal Georges d’Amboise, nicht sehr, schätze aber seinen Neffen Charles. Was ich längst nicht von allen seinen Neffen behaupten kann, die so zahlreich sind, dass ich sie nicht einmal alle beim Vornamen kenne. Charles ist sehr kultiviert, ein Mann mit großen Begabungen auf dem Schlachtfeld und in den Salons – ganz wie mein Cäsar. Außerdem ist er ein großzügiger Mäzen, weiß die Werke der großen Meister zu würdigen und schätzt die schönen Künste, mit denen er sich umgibt.
Marguerite hat mir erzählt, was Ihr ihr anvertraut habt, nämlich dass Ihr prächtige Teppiche mit höfischen Szenen zur Ausstattung
von Château Chaumont fertigstellen wollt, das gerade umgebaut wird.
Die Freundschaft zwischen Euch und ihm weckt meine Neugier. Verschweigt Ihr mir womöglich etwas? Bei Marguerites Hochzeit fiel mir auf, dass Euch dieser Mann nicht aus den Augen gelassen hat, und beim abschließenden Lanzenstechen habe ich Euch mit ihm verschwinden sehen.
Leider verhindern meine immer zahlreicheren Verpflichtungen und Eure, die, wie ich weiß, auch nicht weniger werden, dass wir uns öfter sehen können. Deshalb möchte ich Euch bitten, mich ein Weilchen in Amboise zu besuchen, sobald Ihr aus Alençon zurück seid. Dann finden wir hoffentlich Zeit und Gelegenheit für vertrauliche Gespräche.
Im Übrigen hoffe ich, dass Ihr bei Eurem Besuch in der Normandie etwas für mich in Erfahrung bringen könnt. Ich möchte sehr gerne wissen, wie es Marguerite auf ihrem normannischen Schloss geht. François hat mir gestanden, er glaube nicht, dass sie mit dem Mann, den wir für sie ausgewählt haben, sehr glücklich ist.
Gewiss, Charles d’Alençon hat nicht so hervorragende Manieren wie mein Sohn. Er ist nun mal in erster Linie Soldat. Doch nichts spricht dagegen, dass er seinem Wesen nach mutig, klug und treu ist, gerecht zu sich selbst und anständig gegenüber seinen Nächsten. Ich hoffe sehr, Marguerite wird diese Tugenden eines Tages schätzen lernen, auch weil sie sehr selten sind. Wie viele Männer sind unzuverlässig, treulos und verschwenderisch, und wie viele können nur mühsam ihre Bosheit, ihren Egoismus und ihren Mangel an Zartgefühl verbergen.
Außerdem würde ich auch sehr gern erfahren, wie das Verhältnis zwischen Marguerite und ihrer Schwiegermutter ist. Sind
sie sich zugeneigt, achten sie sich, oder sind ihre Begegnungen kühl und von Pflichtgefühl bestimmt? Ihr werdet sehen, dass sie eine fromme, unbescholtene und hellsichtige Frau ist, ganz wie meine eigene Schwiegermutter es war, die alte Comtesse d’Angoulême, die Ihr auf Château de Cognac noch kennenlernen durftet. Könnt Ihr Euch noch an sie erinnern, Alix? Das ist alles schon so lange her! Damals waren wir beide sehr verzweifelt – aus verschiedenen Gründen, die sich aber sonderbarer Weise auch glichen, weil wir beide auf der Suche nach der wahren Liebe waren.
Ich weiß, dass die alte Comtesse d’Alençon kein schlechter Mensch ist, aber sie ist etwas steif und streng. Und ich fürchte, Marguerite ist noch nicht bereit, sie jeden Tag in die Kapelle zu begleiten, wo sie stundenlang betet. Sie galoppiert lieber den ganzen Tag auf ihrem Lieblingspferd querfeldein!
Wie könnte ich ihr daraus einen Vorwurf machen, bin ich doch selbst noch sehr erpicht auf Ausritte, die ich besonders gern mit dem Duc de Montpensier in den Wäldern um Amboise unternehme! Das heißt, wenn er
Weitere Kostenlose Bücher