Die Blumenweberin: Roman (German Edition)
durchhalten, während es für Byzance kein Problem war. Inzwischen schrie sie auf Césarine ein, was aber nur dazu führte, dass die sich noch weniger bändigen ließ.
Der Sturz war fatal und traf das Tier vollkommen unvorbereitet. Nicht weit von Chaumont verengte sich der Weg, und an manchen Stellen standen Wurzeln aus dem Boden, denen man ausweichen konnte – aber nicht bei diesem Tempo. Césarine blieb mit einem Huf an einer Wurzel hängen, und Alix spürte sofort den Ruck, der durch das Tier ging. Schnell ließ sie die Zügel los, um bei dem zu erwartenden Sturz wenigstens die
Hände frei zu haben, da ging Césarine auch schon zu Boden und streckte alle viere in die Luft.
Und während Alix mit dem Kopf auf die Unheil bringende Wurzel schlug, rappelte sich Césarine, wenn auch noch etwas benommen, schon wieder auf.
Nachdem Juan Charles am Abend zuvor Alix’ Besuch angekündigt hatte, nahm er an, dass sie bereits auf dem Weg nach Chaumont war und beschloss, ihr am Fluss entgegenzureiten.
Dank der großzügigen Unterstützung durch seinen Bankier hatte Charles die Bauarbeiten an seinem Schloss beschleunigen können, weshalb die letzten Tage sehr anstrengend gewesen waren. Architekten, Maurermeister und Arbeiter hatten von früh bis spät gearbeitet, und wenn es in dem Tempo weiterging, wäre das Schloss in einigen Monaten, nach seiner Rückkehr aus Italien, bewohnbar.
Wochenlang hatte er sich derart intensiv um die Bauarbeiten gekümmert, dass er sich nun wirklich eine kleine Pause verdient hatte – und mit wem hätte er sich besser entspannen können als mit Alix? Die junge Nichte von Sire Jacques de Beaune gehörte zu der Art von Puten, mit denen er sich wegen ihres gezierten Gehabes nur kurze Zeit vergnügen mochte, weshalb er das Verhältnis auch nach seiner Italienreise beenden wollte.
Und während er so gemächlich auf der Straße nach Amboise dahinritt, auf der er in ein oder zwei Stunden Alix begegnen musste, beschloss er, dass seine Liebesbeziehung zu der jungen Marie nicht von Dauer sein konnte. Wollte man sie nicht außerdem bald mit einem der Duprat-Söhne verheiraten, deren Vater Schatzmeister und Finanzberater Ludwigs XII. war?
Manchmal bedauerte Charles, sich auf diese Liaison – oder
besser dieses Abenteuer – eingelassen zu haben. In finanzieller Hinsicht war es ein Segen für ihn, aber es hatte ihn allzu sehr von Alix entfernt, die ihm in letzter Zeit zurückhaltend und abwesend vorkam.
Marie, die aus der Bankiersfamilie Briçonnet-Bohier stammte, war ein hübsches, blondes, verführerisches Ding, aber auch sehr kokett, oberflächlich und dumm. Seine Frau war wesentlich nachdenklicher und klüger, aber wegen ihrer zahlreichen Schwangerschaften erschöpft und nicht in der Lage, den ständigen Umtrieben ihres Gatten zu folgen. Umtriebe, die es in der großen Familie d’Amboise schon seit Generationen gab, seit man nämlich ohne nennenswerte finanzielle Unterstützung das Château de Chaumont wieder aufzubauen versuchte.
Beau Sire trabte gemächlich dahin, die kalte Luft vor den Nüstern, und Charles’ Blicke schweiften gedankenverloren von dem grauen Fluss zu der verlassenen Winterlandschaft mit den kahlen, schwarzen Bäumen, auf denen Raben hockten und krächzten.
Da spitzte Beau Sire plötzlich die Ohren.
Auch Charles hatte nun das Gefühl, dass irgendetwas nicht stimmte, und war auf der Hut. Sein Pferd blieb stehen und wandte sich um. Der Weg von Chaumont nach Amboise verengte sich an der Stelle, und einige dicke Wurzeln lugten aus dem Boden hervor. Der Duc d’Amboise kannte jede einzelne, und Beau Sire konnte ihnen selbst im Galopp ohne Schwierigkeiten ausweichen.
Aber diesmal war irgendetwas seltsam. Charles blickte in die gleiche Richtung wie sein Pferd und entdeckte Césarine, die langsam auf sie zukam und wieherte, als sie Beau Sire erkannte. Charles fragte sich noch, was passiert sein könnte, als Alix’ Pferd
plötzlich auf der Stelle umkehrte und ihnen bedeutete, ihm zu folgen.
Als er nach wenigen Metern Alix auf dem kalten, harten Boden zwischen Moos und Erde liegen sah, entfuhr Charles ein erstickter Schrei.
Er sprang vom Pferd, stürzte zu ihr und tastete sie vorsichtig ab. Er konnte keine Verletzung entdecken, aber sie war bewusstlos und schrecklich bleich im Gesicht. Nervös fuhr er mit der Hand unter ihren warmen, pelzgefütterten Mantel. Er ertastete ihren Bauch, dann eine Brust, die er behutsam streichelte, ohne dass sie die erhoffte Reaktion zeigte.
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