Die Blumenweberin: Roman (German Edition)
gern mit einem heiteren, vielversprechenden Blick erwidert hätte.
Sie warf sich auf ihr Bett und vergrub ihr Gesicht im Kopfkissen, bereit, beim leisesten Geräusch aufzustehen.
Alix versuchte die Bilder zu vertreiben, die ihr in den Sinn kamen. Noch war ihr jedes Detail ihrer Liebesnächte mit Charles in Erinnerung, seine begehrlichen Blicke, sein sinnlicher Mund, der stets nach einem Kuss verlangte, seine zärtlichen Hände und seine starke Brust.
Um ihn zu vergessen, dachte sie an Mathias. Wo war er? Und mit wem? Bei einer Frau? War es möglich, dass er sie ausgerechnet
in dem Moment verließ, als sie ihm eröffnen wollte, sie könne sich ein richtiges Familienleben mit ihm vorstellen und hätte genug von ihren amourösen Eskapaden?
War es zu spät? Hatte sie zu lange damit gewartet? Was machte Mathias in Paris? Ihr treuer Freund, der seit Jacquous Tod auf Alix wartete. Sie erinnerte sich an den Tag, als er sich in die Kirche Saint-Pierre geflüchtet hatte, vor lauter Verzweiflung darüber, Alix in den Armen von Alessandro anstatt in seinen zu wissen. Nach langem Suchen hatte sie ihn dort gefunden, getröstet und ihm zugeraunt, dass sie, egal was geschehe, immer nach Tours zurückkommen würde und dass ihre Heimat nicht Florenz, sondern das Val de Loire sei. Sie hatte ihren Kopf an seine Schulter gelehnt und geflüstert: »Wenn ich eines Tages noch einmal heirate, dann dich, Mathias.«
Damals hatte Mathias ein wenig Hoffnung geschöpft, weil Alessandro nicht frei war. Wie hätte er auch ahnen sollen, dass nach dem schönen Florentiner Liebhaber der schneidige Herzog von Amboise auftauchen und ihm Alix wieder wegnehmen würde?
Gott, wie dumm sie nur gewesen war! Wie hatte sie übersehen können, dass Mathias der verführerischste von allen und außerdem noch frei war. Die Frauen machten ihm schöne Augen, aber er blieb unbeeindruckt. Kein Wunder, dass er irgendwann die Hoffnung aufgab, Alix würde ihn doch noch heiraten, und sich nach einer anderen Frau umgesehen hatte. Bestimmt kam er bald, um Nicolas zu holen und ihn bei einer anderen aufwachsen zu lassen.
Der Gedanke brachte sie fast um den Verstand. Sie liebte Nicolas wie ihr eigenes Kind. Nachdem sie ihre beiden Söhne verloren hatte, hatte er wie selbstverständlich deren Platz eingenommen,
und es kam ihr immer so vor, als wäre er von ihrem Fleisch und Blut. Würde man ihn ihr wegnehmen, nahm man auch einen Teil von ihr.
Wie zur Bestätigung hörte sie es an der Tür klopfen. Bertille kam, um ihr zu sagen, dass Nicolas zu ihr wollte. Sie hatte den kleinen Jungen an der Hand, Valentine wackelte hinter ihnen her – sie wollte nicht mehr an der Hand geführt werden.
»Nicolas! Valentine!«, rief Alix freudestrahlend. »Kommt her und gebt mir einen Kuss, meine Schätzchen. Das kann ich jetzt sehr gut brauchen.«
»Hättest du keinen Wagen nehmen können?«, grummelte die Bertille. »Juan hätte dich gefahren. Jesus Maria! Das hätte wirklich nicht auch noch sein müssen, dass du vom Pferd fällst, meine arme Alix!«
»Bitte, Bertille, sei nicht böse mit mir«, bat Alix mit einem Seufzer. »Ich habe mein Versprechen gehalten. Jetzt bin ich frei.«
»Wenn das mal nicht zu spät ist«, meinte Bertille und zuckte die Schultern.
Aber Alix hatte einen zärtlichen Hoffnungsschimmer in ihren Augen entdeckt. Die alte Dienerin konnte ihr gar nicht richtig böse sein. Jetzt ließ sie Alix mit den Kindern allein.
»Das hättest du schon längst machen müssen!«, schimpfte sie beim Gehen händeringend vor sich hin. »Schon längst! Jetzt ist es wahrscheinlich zu spät!«
Von dieser düsteren Ahnung entmutigt, seufzte Alix wieder bitter. Sie hatte Angst, wollte sich ihre Verzweiflung vor den Kindern aber nicht anmerken lassen.
»Ich will zu meinem Papa«, sagte Nicolas.
»Ja, zu Papa!«, wiederholte Valentine.
Alix lächelte sie an und ließ sie auf ihr großes Bett klettern.
»Mein Papa ist in Paris«, erklärte der Junge, während er dem kleinen Mädchen aufs Bett half. Diesmal ließ sich die Kleine helfen und brabbelte die ganze Zeit vergnügt »mein Papa« vor sich hin.
Als sie es sich neben Alix bequem gemacht und ihre kurzen Beinchen ausgestreckt hatten, nahm Nicolas Valentines Hand und erklärte ihr mit ernster Miene:
»Du hast eine Mama, und ich hab’ einen Papa. Aber alle zwei gehören uns beiden zusammen.«
Alix kamen die Tränen. War es wirklich schon zu spät, oder konnte diese kindliche Feststellung noch Wirklichkeit werden? Sie nahm
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