Die Blumenweberin: Roman (German Edition)
auf unbestimmte Zeit verlängern.
Nach mehreren schlaflosen Nächten kam sie zu dem Schluss, Bertille hätte wohl recht mit ihren Erklärungen, und wollte nun endlich mit Charles brechen, der ihr Gefühlsleben ohnehin nicht mehr bereicherte, seit die Wandteppiche beinahe fertig waren, und vor allem seit ihn seine neue Geliebte mit Liebe und Geld überhäufte.
Nur die Galanterien mussten noch fertiggewebt werden – der Teppich also, der ihr am besten gefiel. Ironie des Schicksals, dass ausgerechnet hier noch die Millefleurs fehlten. Arnaude arbeitete jedoch hingebungsvoll daran, und Alix sah sich den Teppich jeden Morgen als Erstes an, wenn sie in die Werkstatt kam.
Jede Figur befand sich an der richtigen Stelle, alle waren locker um zwei Bäume mit Früchten, Blüten und Vögeln gruppiert. Die Damen plauderten, und die Edelmänner lauschten ihnen auf Knien und reichten ihnen Konfekt, oder umgekehrt. Das Paar in der Mitte hatte es sich bequem gemacht, das ganz
links lag sich in den Armen – was unvermeidlich war. Samt und Seide der Kleider glänzten prächtig, ein Hund beobachtete die Szene, eine Taube flog auf.
Sehr geschickt hatte Arnaude das Lächeln einer der sechs Damen verbessert und einem jungen Edelmann einen etwas frivolen Gesichtsausdruck verliehen. Mit der einen Hand hielt er die Hand seiner Geliebten, die andere sah man nicht, weil sie unter der Korsage der Schönen verschwunden war.
Arnaude hatte gute Arbeit geleistet. Pierrot hatte sie dabei unterstützt und überall auf dem Millefleurs Unmengen kleiner roter Früchte verteilt. Himmel und Erde, der ganze Hintergrund war ein exakt durchdachtes Gewirr aus bunten Pflanzen. Pierrots Phantasie waren auch noch winzige Vögelchen entsprungen, nicht größer als die Blüten, in denen sie sich versteckten.
Die Galanterien, ein wahres Wunderwerk aus leuchtenden Farben, wurden auf Arnaudes Webstuhl zum Leben erweckt.
Trotzdem ließ sich Alix nicht beirren. Seit dem Vorabend stand ihr Entschluss fest, auch wenn das heißen sollte, dass Das höfische Leben und die Galanterien unvollendet blieben. Sie wollte Charles erklären, dass ihre Liebesbeziehung beendet war. Wahrscheinlich würde der Duc d’Amboise, der Affären mit mehreren Frauen neben seiner Ehefrau haben konnte, der jungen Frau entgegnen, er könne sehr wohl freundschaftliche Beziehungen zu Frauen unterhalten, mit denen er einmal das Lager geteilt hatte.
Der fünfte Teppich, Aufbruch zur Jagd , war inzwischen fertig geworden und zierte in seiner ganzen Pracht eine Wand des Kontors. Ein edler Herr trug seinen Falken auf dem Arm und schritt langsam in einen wunderschön blühenden Wald, und ein
Hellebardier, dessen Lanzenspitze zum Himmel gerichtet war, wartete selig darauf, dass der Vogel aufflog.
Sollte sich Charles in Chaumont aufhalten, um dort die Bauarbeiten zu überwachen, müsste sie ihm den Teppich unverzüglich liefern. Das wäre ein guter Anlass, um ihm zu erklären, warum sie die Beziehung beenden wollte. Alix fühlte sich zwar dazu in der Lage, hatte aber Angst, sie würde tiefe Verletzungen forttragen. Doch der Gedanke an Bertilles zornrotes Gesicht, die berechtigten Vorwürfe, die sie ihr an den Kopf geworfen hatte, und an Mathias’ plötzlichen Aufbruch waren überzeugend genug, bei dieser Entscheidung zu bleiben und einzusehen, dass die Trennung von Charles unvermeidlich war.
Weil Léo nicht da war und deshalb nicht, wie sonst, dem Herzog von Amboise den bevorstehenden Besuch von Alix auf Chaumont ankündigen konnte, hatte sie plötzlich Angst, Charles könnte noch nicht aus Italien zurück sein, wohin er vor Monaten aufgebrochen war. Obwohl der König von seinem letzten Feldzug zurückgekehrt war, hielten sich einige seiner Kombattanten nämlich noch in der Gegend von Mailand auf.
Schließlich schickte sie Juan nach Chaumont, der noch am selben Abend mit der Nachricht zurückkam, dass sich der Herzog einige Tage dort aufhalte und sie erwarte.
Alix beschloss, sich unverzüglich auf den Weg zu machen, und verließ Tours mit der weißen Césarine, die von der Aussicht auf einen Ausflug an die winterliche Loire hoch erfreut war. Allein konnte Alix den Teppich nicht mitnehmen und wollte ihn später liefern.
Dafür hatte sie einen kleinen Altarteppich dabei, den der Domherr von Saint-Clément bestellt hatte. Angela war inzwischen Arbeiterin und hatte ihn selbst gewebt, worauf sie sehr
stolz war und von Julio unendlich bewundert wurde. Ach, die beiden sollten wirklich bald
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