Die Blumenweberin: Roman (German Edition)
heiraten!
Weil der Domherr nicht da war und sie nicht auf ihn warten wollte, gab sie den Teppich im Pfarrhaus ab und kündigte an, ein paar Tage später wiederzukommen. Anschließend machte sie noch einen Umweg zu Sire Bonaventure, einem Textilgroßhändler, der in der Rue de la Sellerie wohnte. Sie wollte sich vergewissern, dass es sich der Großbürger nicht anders überlegt hatte, und ihn den Auftrag unterzeichnen lassen. Dabei ging es um sechs Teppiche mit einer biblischen Geschichte, in der David gewissermaßen die Hauptrolle spielte.
Wegen der beiden Zwischenstationen musste sie durch die halbe Stadt, gelangte dann aber schnell über Saint-Pierre-des-Corps auf die Straße nach Amboise.
»Ich bin heute Abend zurück«, hatte sie Bertille erklärt, die sie leicht verärgert verabschiedete.
Mehr hatte sie nicht gesagt, weil sie sich sicher war, abends wieder zu Hause zu sein. Sie ließ also die Stadt hinter sich, ritt am Loireufer entlang bis zu den Karmelitern und trabte gemächlich an der Kutscherei vorbei, bis sie ins Gerberviertel gelangte.
In der Nähe einer leer stehenden alten Scheune machte Césarine plötzlich einen Satz und wieherte aufgeregt, was ihr gar nicht ähnlich sah. Sie schlug aus und wurde mit einem Mal pfeilschnell. Weil sich Césarine noch nie derartige Launen erlaubt hatte, nahm Alix sie fester an den Zügeln und rief:
»Ganz ruhig, meine Schöne, ganz ruhig. Was ist denn los?«
Doch die Stute beruhigte sich nicht und galoppierte nur noch schneller als sonst. Alix bekam es mit der Angst.
»Langsam, Césarine! Wir haben genug Zeit«, versuchte sie sie zu beruhigen. »Was willst du mir denn beweisen?«
Doch es nützte nichts, Césarine lief, als wäre der Teufel hinter ihr her, ohne sich um ihre Herrin zu kümmern, die sich verzweifelt an ihren Hals klammerte. Dabei erreichten die beruhigenden Worte, mit denen sie auf das Tier einredete, nicht einmal seine Ohren.
Auf einmal entdeckte Alix ein Pferd in der Ferne, bemerkte aber erst, als sie näher kamen, dass es ohne Reiter war. Jeder hätte sich gewundert, ein derart schönes, wertvolles Pferd ohne seinen Besitzer anzutreffen.
»Seltsam. Wo mag nur der Reiter geblieben sein?«, fragte sich Alix, während sie noch immer vergeblich ihre Stute zu bremsen versuchte.
Da wurde ihr mit einem Schlag klar, was für ein Pferd das war, worüber sie beinahe die Zügel verloren hätte. Césarine spürte die unverhoffte Freiheit und nutzte sie, um ihr Tempo zu verdoppeln.
»Das ist doch mein Byzance!«, stieß Alix verblüfft hervor. »Kein Zweifel, es ist Byzance, und Césarine hat ihn erkannt.«
Byzance war ihr Rennpferd, mit dem Théodore an dem Tag geflüchtet war, als sie auf der Suche nach Alessandro Florenz verlassen hatte. Und das hieß, Tanias Bruder musste sich hier irgendwo in der Nähe aufhalten. Warum hatte ihr Tania nichts gesagt? Hatte sie befürchtet, Alix würde die beiden Geschwister aus lauter Verärgerung wieder nach Genua bringen, wo sie sie auf dem Sklavenmarkt gekauft hatte? Dabei hatte sie Tania schon hundertmal erklärt, dass es in Frankreich keine Sklaven gab und sie jetzt ein freier Mensch war.
Wenn Byzance hier herumlief, konnte das nur bedeuten, dass Théodore sich irgendwo in einem Versteck in Tours aufhielt, um
von seiner Schwester, wenn sie sich einmal unbemerkt wegstehlen konnte, Geld zum Überleben zu verlangen.
Jetzt verstand sie auch, warum Césarine nicht aufzuhalten war. Sie mussten hinter dem anderen Pferd her und es einfangen. Théodore hatte es ihr gestohlen, als er geflohen war. Sie wollte ihn dafür nicht ins Gefängnis bringen, aber er musste ihr das Pferd auf alle Fälle zurückgeben. Im Moment konnte sie sich nur auf Césarines Instinkt verlassen, die ihren alten Freund offenbar unter allen Umständen einholen wollte.
Außerhalb der Stadt verloren sie Byzance aus den Augen, Alix entdeckte ihn aber bald wieder auf der Straße nach Amboise. Sie erkannte ihr Pferd an seinem schönen Gang: Prächtig, jung und ungestüm schien er geradezu vor ihr herzufliegen. Césarines Nüstern dampften, und ihr Fell war schweißnass, aber sie wollte sich noch immer nicht beruhigen, und Alix bekam allmählich Angst, der teuflische Ritt könnte in einer Katastrophe enden.
Byzance wurde nicht langsamer, sondern legte noch mal an Tempo zu, als er Césarines Galopp hinter sich hörte. Forderte er sie heraus? Alix spürte den wilden Herzschlag von Césarine. Ihre Stute konnte dieses Höllentempo nicht mehr lange
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