Die Blumenweberin: Roman (German Edition)
Beruhigt stellte er fest, dass sich ihr Hals warm anfühlte, und konnte zu seiner großen Freude einen ganz schwachen Herzschlag unter seinen Fingern spüren. Alix lebte also noch, jubelte er innerlich.
Schnell hob er sie hoch und legte sie auf sein Pferd.
»Césarine, du kommst mit!«, rief er. »Wir wollen versuchen, den kleinen Bach zu finden, aus dem du schon so oft getrunken hast, Beau Sire. Wenn er nicht ganz unter dürrem Holz und welkem Laub vergraben ist, könnten wir Alix dort mit etwas Glück aus ihrer Ohnmacht holen.«
Langsam machten sie sich auf die Suche, bis Beau Sire witternd die Nüstern bewegte. Der Herzog von Amboise hatte den Eindruck, dass sein Pferd in der eintönig grauen Winterlandschaft die Stelle entdeckt hatte, an der es sich im Sommer immer erfrischte.
Charles legte die noch immer bewusstlose Alix auf den steinigen, hart gefrorenen Boden. Der kleine Wasserlauf musste irgendwo hier am Waldrand sein, aber wie Charles befürchtet hatte, war alles unter einer dicken Laubschicht versteckt. Erst nach langem Suchen gelang es Beau Sire, das Rinnsal zu wittern.
Energisch räumte Charles alles aus dem Weg, bis er schließlich mit den Händen genug kaltes Wasser schöpfen und Alix’ Gesicht damit benetzen konnte.
Er schlug ihr ins Gesicht und versuchte sogar, ihr etwas von seinem heißen Atem abzugeben, und endlich regten sich ihre Lebensgeister – er hatte sich nicht vergeblich angestrengt.
Mühsam öffnete sie die Augen, sah sich verwirrt um, machte einige zaghafte Bewegungen und murmelte: »Ich habe Byzance gesehen!«
»Byzance?«
»Und den Sklaven!«
Der Duc d’Amboise wusste nicht, was das heißen sollte und dachte, Alix wäre noch nicht wieder ganz bei Sinnen, aber sie richtete sich auf und sah Charles an.
»Byzance ist mein Rennpferd, ich habe es vorhin gesehen«, erklärte sie mit noch leicht verschwommenem Blick.
Anstelle einer Antwort gab ihr Charles einen Kuss.
»Weißt du, dass du mir einen großen Schrecken eingejagt hast?«, flüsterte er. Alix war noch immer sehr blass.
»Ich habe mein Rennpferd wiedergesehen, verstehst du? Théodore hat es mir gestohlen, als er aus Florenz geflüchtet ist.«
Wieder küsste er sie drängend, wollte, dass sie seinen Kuss erwiderte. Unentschlossen und willenlos ließ sie es mit sich geschehen. Sie wehrte sich nicht, ergab sich ihm. Ihre Zungen begegneten sich, verschmolzen, spielten miteinander, und Alix spürte die Wärme in ihren Körper zurückkehren, die sie brauchte, um wieder ganz zu sich zu kommen. Vorsichtig bewegte sie sich. Ihre Schläfen pochten, und sie erinnerte sich plötzlich, dass sie mit Charles brechen wollte, vergaß es aber gleich wieder, legte ihre Arme um ihn und entschied sich, diese letzten
köstlichen Augenblicke zu genießen, ehe sie sich unwiderruflich von ihm trennen musste.
»Lass uns zum Schloss reiten«, schlug Charles vor und küsste sie auf den Hals, an dem eine heftig pochende Ader bewies, dass sie wiederhergestellt war. »Dort kannst du wieder zu Kräften kommen. Ich lasse einen Arzt holen, bis dahin wird dich mein Apotheker mit allem versorgen, was du zu deiner Genesung brauchst.«
»Nein, Charles, ich will zurück nach Tours!«
»Hast du denn keine Zeit für mich?«, fragte Charles überrascht. »Sonst bleibst du doch immer zwei oder drei Tage.«
»Ich weiß, aber diesmal geht es nicht«, sagte sie leise.
»Was willst du damit sagen? Uns bleiben doch noch ein paar Tage, bis ich nach Italien muss.«
Mittlerweile war sie wieder ganz klar und schüttelte nur traurig den Kopf.
»Nein, Charles, wir müssen adieu sagen. Das lässt sich nun mal nicht ändern.«
»Ich verstehe nicht, was das soll«, entgegnete er und drückte sie an sich. »Du bist übermüdet, der Sturz hat dich verwirrt.«
»Das stimmt, der Sturz hat mich erschüttert. Aber ich bin schon mit der Absicht von Tours aufgebrochen, mich von dir zu trennen.«
Er sah sie verständnislos an.
»Geliebte! Meine zärtliche Alix! Ich bin gegen diese Trennung. Ich brauche dich!«
»Aber ich brauche dich nicht mehr, Charles. Ich muss jetzt vor allem wieder an meine Arbeit denken.«
»Unsere Liebe hindert dich doch nicht zu arbeiten! Ich habe immer geglaubt, ich wäre Teil deiner Arbeit. Immerhin habe ich
dir sieben angefangene Teppiche überlassen, damit du sie fertigstellst, was dir ganz hervorragend gelingt. Haben dich Maître Bellinois’ Attacken so verärgert? Mach dir keine Gedanken, ich werde ihn gehörig zur Ordnung rufen. Er hat
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