Die Blut-Loge
er herrschte noch über ein ganz anderes Imperium. Über das Imperium der Nacht, und damit waren nicht allein die zahlreichen Nachtclubs gemeint, die er überall auf der Welt unterhielt.
Gabriel Stark war ein Macher, ein Selfmade-Milliardär, wie es hieß, und zu allem Überfluss – ein Vampir. Er und sein Sohn Ruben waren die Paten der internationalen Vampirloge „Sangue Ombra“, die sich kurz Sanguiner nannten und in der heutigen Zeit nicht mehr allein in der Dunkelheit agierten.
Der alte Stark war stattlich von Statur, muskulös gebaut und trug einen verwegenen Dreitagebart. Man schätzte ihn als Menschen auf Mitte Vierzig, während sein Sohn eher sportlich-elegant daher kam und mit einem Gigolo verglichen wurde. Ruben war in der Tat dem süßen Leben nicht abgeneigt, doch trotz seines charmanten Äußeren steckte in ihm die Gefährlichkeit eines Alligators und genau so schnell und erbarmungslos konnte er reagieren. Mit 28 Jahren teilte er sich die Macht mit seinem Vater, der bereits 1998 begonnen hatte, eine ganz bestimmte Forschung ins Leben zu rufen, die jetzt mit „Red Honey“ ihren ersten Erfolg feierte.
Wie jeden Morgen trafen sich Vater und Sohn zu einer Besprechung mit der Marketingchefin Lilly, die ebenfalls zur Loge gehörte. Genau genommen zählten etwa 70 Prozent der Angestellten des Konzerns zu den Kindern der Nacht. Stark versorgte sie gut, zunächst mit Blutersatzstoffen, damit sie nicht auf die Menschen losgingen und ihre Tarnung nicht aufflog.
Ihre Empfindlichkeit gegenüber dem Tageslicht und den üblichen Kampfmitteln der Menschen verloren die Vampire bereits Mitte des 18. Jahrhunderts. Sie nutzten die Schwächen ihrer Beute – ihre Feindseligkeiten und Kriege -, um sich gütlich zu tun und sie überlebten recht gut dabei, bis die moderne Technik ihnen eine fast sorgenfreie Existenz ermöglichte. Das aber war dem Konzernchef nicht genug. Genau wie die menschliche Rasse strebte auch er nach mehr. In diesem Fall aber nicht nach mehr Geld, sondern nach mehr Einfluss.
Wie jeden reichen Mann hatte auch den alten Vampir irgendwann die Langeweile gepackt. Ziele waren mit Geld zu einfach zu erreichen! Was sollte man sich da als nächstes vornehmen? Gabriel kannte nur noch ein für ihn erstrebenswertes Ziel: die Weltherrschaft. Und das bezog sich nicht allein auf die menschliche, nein, auch auf seine eigene Rasse. Gabriel Stark teilte nur ungern, vor allem seine Macht. Dennoch brauchte er die Loge, um seinen Plan letztendlich in die Tat umzusetzen. Seine wirklichen Absichten verschwieg er allerdings vor dem Rat der Logenmitglieder. Für ihn waren alle nur Mittel zum Zweck – die Menschen und die Vampire, auch die Loge selbst, denn viele von ihnen waren ebenfalls abhängig.
„Wie sehen die Verkaufszahlen für diese Woche aus?“, fragte der Konzernchef die Marketingleiterin geradeheraus. Lilly Brenner war eine zierliche, kleine Asiatin mit einem überdurchschnittlichen I.Q, was Verkaufsstrategien anging. „Im Augenblick verzeichnen wir eine gewisse Stagnation nach dem Weihnachtsgeschäft“, musste sie jetzt aber kleinlaut einräumen und warf einen hilfesuchenden Blick zu Ruben hinüber. Dieser widmete sich lieber den Unterlagen vor ihm auf dem Tisch. Die Kleine hatte ihm mal ein paar Nächte versüßt, mehr nicht.
Stark brummte unzufrieden. „Wir müssen dieses Zeug unter die Leute bringen. Die Entwicklung der neuen Serie wird sich noch einige Zeit hinziehen. Wie sieht es mit der gesamten Red Honey Linie aus?“ Bereitwillig gab Lilly ihm die Verkaufszahlen für die Duschcremes, Lotionen und die gleichnamige Männerserie.
„Sind das die internationalen Zahlen?“, wollte Stark wissen. Lilly nickte.
Sein Sohn hatte der Unterhaltung interessiert zugehört. Nicht nur, weil er unter anderem als männliches Model für die Werbekampagne tätig gewesen war. Nein, eher aus persönlichem Interesse. „Wann kriegen wir die erste Ernte, Dad?“, fragte er neugierig.
Stark blickte seinen Sprössling zurückweisend an. „Nicht vor drei Monaten. Die Menschen müssen zunächst einmal auf den Geschmack kommen.“ Und zu der Asiatin gewandt: „Machen Sie uns eine Liste von Stammkunden. Verstärken Sie die Kundenbindung. Finden Sie heraus, wo die größten Absatzgebiete sind, starten Sie entsprechende Werbeaktionen in den schwachen Verkaufsgebieten, etc., Sie wissen schon…“
„Sofort Mr. Stark“, beeilte sich Lilly zu sagen und packte geschäftig ihre Aktentasche zusammen. „Morgen
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