Die blutende Statue
versicherte Kenneth voller Überzeugung, besitze eine ganze Akte von Beweisen und sei bereit, sie gegen Geld auszuhändigen, was die Lage des Unternehmens verbessern sollte, da dadurch dieser unlautere Konkurrent des unglücklichen Firmenchefs ausgeschaltet oder zumindest unschädlich gemacht würde.
Da die meisten Führungskräfte, an die sich Kenneth wandte, gestresst und auch relativ genervt waren, lieferte er ihnen diese Informationen aus erster Hand, verständlicherweise mit einer beruhigenden Erklärung und nebenbei noch mit einer »offensichtlichen« Lösung für die Flaute ihres Unternehmens.
Da ein solcher Informant diesen Firmenchefs wie vom Himmel gesandt erschien und nur eine relativ bescheidene Summe verlangte, waren einige Unternehmer bereit, sich während eines kurzen Aufenthalts zwischen zwei Flügen mit Kenneth (der sich, je nach Anlass, Edward, William oder anders nannte) auf einem Flughafen von Belgien, Deutschland oder Luxemburg zu treffen, um ihm im Gegenzug für eine enthüllende Akte, die alle Details über die Geschäftsmisserfolge enthielt, einen Umschlag voller englischer Pfundnoten zu übergeben. Der Austausch vollzog sich immer in wenigen Minuten in einer Flughafenhalle. Niemals hielt sich Kenneth, nachdem er das Geld in Empfang genommen hatte, noch länger dort auf, um weitere Erklärungen darüber zu geben, wie er seine so kostbaren »vertraulichen Informationen« erhalten hatte. Es erübrigt sich wohl zu erwähnen, dass diese Akte nichts enthielt, was nicht schon in der Fachpresse erwähnt worden war. Der jeweilige Unternehmer stellte nur fest, dass er gerade für Informationen, die ihm sowieso bereits bekannt waren, kräftig gezahlt hatte.
Kenneth begnügte sich jedoch nicht mit solchen Betrügereien im kleinen Stil, die ein Minimum an Organisation und zudem Kosten verursachten. Er war auch ein hervorragender Erpresser. Dank eines gut organisierten Netzes gelang es ihm, sich kompromittierende Fotos zu beschaffen, auf denen man Mitglieder der englischen Oberschicht in leichter Bekleidung oder unbekleidet sah, die gerade im Begriff waren, mit irgendwelchen Damen (oder Herren), die nicht ihre angetrauten Ehepartner waren, herumzutändeln.
Auch diese neuen Opfer wurden in die Halle irgendeines Flughafens innerhalb der EU bestellt. Auch sie erhielten im Austausch für einen mit Pfundnoten prall gefüllten Umschlag die Beweise ihrer Ausschweifungen, die im züchtigen Albion fatale Folgen hätten haben können. Nach dem Austausch entfernte sich Kenneth alias Edward, Williams, Gregory oder Teddy in aller Eile, aber immer zu Fuß oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln, um einer Beschattung zu entgehen. Bei einer der Fluchten aus seinem ausgeklügelten Netz hatte man den unternehmungslustigen Kenneth schließlich in der Nähe von Cap-d’Ail festgenommen. Er hatte sich dort in einem Luxushotel niedergelassen. In dem Augenblick, als er einem Mitglied des englischen Adels, das natürlich mit der königlichen Familie verwandt war, kompromittierende Fotos vorlegte, hatte er bemerkt, dass ihm englische und französische Polizisten »heimlich« auf den Fersen waren. Er hatte sofort die Flucht ergriffen und versucht, schleunigst die französisch-monegassische Grenze zu überschreiten, doch wurde er kurz vor dem Ziel festgenommen.
Kenneth behauptete, dass er mit Sicherheit von denen, die er seit Jahren erpresste, »liquidiert« werden würde, wenn man ihn in England ins Gefängnis werfen würde. Es könnte auch sein, dass die große amerikanische Tageszeitung, der er vor ein paar Monaten für sechsundfünfzigtausend Dollar ein Paar gebrauchte Schuhe verkauft hatte, einen Mörder dingte, der ihn beseitigen sollte.
Unser Betrüger hatte nämlich sehr überzeugend behauptet, dass dies die Schuhe von Jimmy Hoffa gewesen seien, dem Boss der amerikanischen Syndikate, einem ebenfalls überzeugten Fußgänger, der vor Jahren aus dem Haus gegangen und nie wieder aufgetaucht war. Kenneth hatte diese Schuhe ein paar Wochen zuvor für ein paar Shilling auf dem Flohmarkt in der Portobello Road erworben.
Ein Clown wird König
Mit dem Balkan verbinden wir heute fürchterliche Verbrechen, von denen man tagtäglich in den Nachrichten hört. Zugegebenermaßen war das praktisch von jeher so. Völlig unterschiedliche und oft miteinander verfeindete Völker besiedeln diesen Teil Europas, der im Lauf der Geschichte ständig von Kriegen und Konflikten geschüttelt wurde.
In diesem ununterbrochenen Strom von
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