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Die blutende Statue

Die blutende Statue

Titel: Die blutende Statue Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierre Bellemare
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lieber noch einmal nach, bevor Sie zur Bank rennen, um Ihr Konto aufzulösen, oder ins Polizeikommissariat, um Anzeige zu erstatten.
     

Der Mann mit den grünen Handschuhen
     
    Vereinigte Staaten, 1956. Der Mann mit den grünen Handschuhen war gerade verstorben. Ein berühmter amerikanischer Nobelpreisträger für Literatur fand ihn vor kurzem so interessant, dass er ihm in einem auflagenstarken Magazin einen Artikel widmete. Der Mann mit den grünen Handschuhen, den man häufig am Steuer eines grünen Wagens gesehen und der bereitwillig jedem seine grellgrünen Visitenkarten überreicht hatte, war ein notorischer Wiederholungstäter gewesen. Nun war er tot und trotz der acht Millionen Dollar, die er im Laufe seines Lebens ergaunert hatte, hinterließ er nichts.
    Immobiliengeschäfte, die zwar legal gewesen waren, aber die er schlecht geführt hatte, hatten zu seinem Ruin geführt. Und damit hatte ihn das Schicksal ausgebootet.
    Seit 1910, dem Jahr seines ersten »Streichs«, hatte sich der Mann mit den grünen Handschuhen schließlich mangels eines echten Namens einen Spitznamen zugelegt: »der Grüne Junge«. 1910 war er dreiunddreißig Jahre alt und hatte durch Zufall erfahren, dass eine vergleichsweise unbedeutende kleine Bank, die Merchant National Bank, in einer kleinen Stadt von Indiana (einem von der Landwirtschaft geprägten Staat) in ein neues Gebäude umziehen sollte. Die Büros mussten bis zu einem bestimmten Termin geräumt sein.
    Diese Bank, die einen guten Ruf genoss, brachte ihn auf eine Idee. Alfred Beamon, der Mann mit den grünen Handschuhen, nahm höchst offiziell mit dem Eigentümer des Gebäudes Kontakt auf und der vermietete ihm die Räume für die Woche nach dem Auszug der Bank.
    Eine Woche später betrat Alfred Beamon mit seinem Opfer, einem sehr reichen Farmer aus dem Umkreis, die Bank. Zu dessen Erstaunen schien sich nichts verändert zu haben. Es sah so aus, als ob die Bank immer noch in Betrieb sei und sich ihr Auszug bloß um ein paar Tage hinausgezögert hätte. Kunden standen an den Schaltern, an denen sie von Bankangestellten bedient wurden. Sogar die Post war da gewesen, denn einige Angestellte schleppten schwere Säcke herein, die allem Anschein nach Banknoten, Schecks oder sonstiges Geld enthielten.
    Alfred Beamon, ein elegant aussehender Mann mit beeindruckenden Koteletten an den Wangen, öffnete mit dem Schlüssel, der mit einer silbernen Kette an seiner Weste festgemacht war, die Zimmertür des Direktors, also sozusagen sein Büro. Er nahm hinter dem Schreibtisch Platz, bot seinem Besucher einen Stuhl an und zudem eine Zigarre. Dann schlug er eine Akte auf und begann, dem Interessenten den Ablauf eines lukrativen Finanzgeschäfts zu erklären, über das er, so behauptete er jedenfalls, als einer von ganz wenigen informiert worden war. Sein »Kunde« täte gut daran, einzusteigen, denn in kürzester Zeit könne damit, wenn man die Gelegenheit jetzt nutzte, einer der höchsten Gewinne in der Geschichte der Vereinigten Staaten erzielt werden.
    Der Kunde, der aufmerksam zugehört hatte, nickte.
    Schließlich öffnete er seine lederne Aktenmappe und übergab Alfred Beamon die fünfzigtausend Dollar, die für den Einstieg in dieses Geschäft, das kein Risiko beinhaltete, erforderlich waren. Alfred Beamon unterschrieb eine Quittung mit dem Briefkopf der Merchant National Bank. Natürlich erwähnte er nicht, dass er diese Quittungen geduldig gesammelt hatte, indem er sie bei mehreren echten Filialen der Bank gestohlen hatte.
    Am darauf folgenden Tag waren die Räume der Merchant National Bank, wie durch Zufall, tatsächlich leer. Der Kunde, der wegen Klärung eines Details noch einmal zur Bank gekommen war, begriff, wenn auch etwas zu spät, dass er Opfer eines, wie man dies später nannte, »Kulissentricks« geworden war. Die Kunden, die Angestellten, die Geldboten, die er an dem Tag, als er in die Falle getappt war, gesehen hatte, waren in Wirklichkeit nur kleine Gauner und Freudenmädchen gewesen, die für einen Tag engagiert worden waren. Und Alfred Beamon war bereits ganz legal in dem unentwirrbaren Dickicht der vielen nordamerikanischen Staaten untergetaucht. Dieses Geschäft war schon allein deshalb ein Erfolg für Alfred, weil sich das Opfer aus persönlichen Gründen nicht zu erkennen gab und völlig anonym blieb.
    Im Lauf der Jahre wiederholte der Mann mit den grünen Handschuhen diesen Betrug viele Male, und jedes Mal mit dem gleichen Erfolg. Doch von Zeit zu Zeit gelang

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