Die blutende Statue
während der Fahrt entwendet. Bloß, wo war er geblieben? Wo steckten die Bilder von Renoir, Manet und Dufy?
Genauso wie den Besitzer ließ Kommissar Gautier auch den Fahrer und den Gepäckträger beschatten. Bei dieser undurchsichtigen Affäre war er gezwungen, auf Routinemaßnahmen zurückzugreifen in der Hoffnung, dadurch auf etwas zu stoßen.
Er selbst überprüfte unverzüglich die Aussage von Pierre Bernard. Aber das Rathaus von Saint-Pé im Departement Indre bestätigte alles. Pierre Bernards fabelhafte Erbschaft stammte wirklich von dieser alten Großmutter mit dem lockeren Lebenswandel, die man allgemein für völlig verarmt gehalten hatte.
Vierundzwanzig Stunden verstrichen. Die gestohlenen Objekte waren so wertvoll, der Diebstahl so geheimnisumwoben und der Bestohlene so originell, dass der Fall Schlagzeilen machte. Kommissar Gautier war hingegen nahe daran, zu verzweifeln, bis die Beschattung der drei Beteiligten endlich ein verblüffendes Ergebnis zeitigte. Der Polizist, der auf den Gepäckträger angesetzt war, platzte aufgeregt ins Büro.
»Ich hab etwas Ungewöhnliches entdeckt, Herr Kommissar. Damit meine ich nicht den Mann selbst, der hat nichts Besonderes getan. Erstaunlich ist nur, dass ich nicht der Einzige war, der ihm gefolgt ist.«
»Sind Sie sich sicher?«
»Absolut. Es war eine Frau! Eine kleine Blondine, ziemlich hübsch, mit einer Pelzjacke. Als der Gepäckträger Feierabend gemacht hat, hat sie ihren Wagen vom Parkplatz geholt und ist ihm bis nach Hause gefolgt. Sie ist etwa eine Stunde lang vor seiner Haustür stehen geblieben und hat gewartet. Dann ist sie davongefahren, aber am nächsten Morgen stand sie schon um sechs Uhr vor seinem Haus und ist ihm wieder zum Flughafen Orly gefolgt.«
»Ist sie jetzt immer noch hier?«
»Ja. Sie wartet.«
Kommissar Michel Gautier überlegte rasch.
»Gut. Kehren Sie auf Ihren Posten zurück und überwachen Sie die beiden.«
Sobald der Polizist gegangen war, rief der Kommissar den Mann an, der im Luxushotel, in dem Pierre Bernard abgestiegen war, Wache schob.
»Hat Bernard einen Anruf erhalten?«
»Ja, Herr Kommissar, einen einzigen letzte Nacht. Eine Frau, wahrscheinlich seine Geliebte. Sie hat lange geredet, ohne was Besonderes zu erzählen. Allerdings hat sie etwas Seltsames gesagt, nämlich: >Ich hab die Zigarren nicht gefunden<.«
Diesmal wurde die Sache klarer und zugleich komplizierter. Der Gepäckträger war sicher der Schuldige. Das hatte die kleine Blondine, Pierre Bernards Geliebte, irgendwie herausgefunden, ohne jedoch die gestohlenen Bilder zu finden. Das war die einzige Erklärung für den Satz: »Ich hab die Zigarren nicht gefunden.«
Trotzdem war das Rätsel noch längst nicht gelöst, ganz im Gegenteil. Wie hatte der Gepäckträger den Koffer entwenden können, obwohl bei der Öffnung des Kofferraums mehrere Zeugen dabei waren? Außerdem wusste der Bestohlene anscheinend durch die Blondine, wer der Dieb war. Warum meldete er dies nicht der Polizei? Und schließlich die Hauptsache: Wo waren der schwarze Koffer und die Gemälde?
Zunächst einmal holte Kommissar Gautier Auskünfte über den Gepäckträger ein. Er hieß Lucien Jouffroy und war tatsächlich kein unbeschriebenes Blatt. Weil er häufig zu spät kam, drohte ihm im Flughafen die Entlassung. Darüber hinaus hatte man ihn erst kürzlich in Verdacht gehabt, für das Verschwinden eines Koffers verantwortlich gewesen zu sein. Damals hatte die dienstliche Untersuchung aus Mangel an Beweisen zu keinem Ergebnis geführt. Kurz und gut, dieser Lucien Jouffroy war der ideale Verdächtige.
Der Kommissar widerstand der Versuchung, ihn auf der Stelle zu verhaften und zu verhören. Zunächst einmal war fraglich, ob der Gepäckträger gestanden hätte, doch wäre vor allem dadurch die kleine Blondine gewarnt worden. Der Kommissar wollte unbedingt herausfinden, welche Rolle sie und Pierre Bernard in dieser ganzen Geschichte spielten.
Im Moment befand sich Jouffroy, der Gepäckträger, bei der Arbeit auf den Flugpisten. Darum hatte der Kommissar Zeit und Muße für eine diskrete Durchsuchung. Im Aufenthaltsraum des Personals untersuchte er den Spind des Verdächtigen. Natürlich erwartete er nicht, dort den schwarzen Koffer zu finden, das wäre auch zu schön gewesen. Doch er entdeckte nicht einmal den geringsten Hinweis, nur einen Henkelmann mit dem Mittagessen und die Zivilkleidung des Gepäckträgers.
Trotzdem gab Kommissar Gautier nicht auf. Es war immer noch möglich,
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