Die blutende Statue
zu drucken, mit solch heiklen Arbeiten betraut wurde. Heute war die Angelegenheit jedoch etwas delikater als sonst. Van Goyen, ein charmanter junger Mann, erklärte ihm, was natürlich niemand wissen durfte, dass es darum ginge, die Wirtschaft von Angola anzukurbeln, wenn auch künstlich, wie er einräumte. Angola war zu der Zeit portugiesische Kolonie und versank einige Jahre später im Chaos.
Van Goyen bat Melton also, zweieinhalb Millionen Escudos zu drucken, und zwar mit den gleichen Seriennummern wie jene, die bereits existierten und die von Melton and Sons vor einigen Jahren hergestellt worden waren. Nach Fertigstellung der Banknoten sollten sie an die Bank »Angola und Metropole«, einer speziell für dieses Geschäft gegründeten Bank, transferiert und dort mit dem Vermerk »Angola« versehen werden, um zu vermeiden, dass sie in Portugal in Umlauf gebracht würden. Mister Melton begriff sehr wohl, wie das Geschäft funktionierte, und er schätzte noch mehr das Vertrauen, das man in ihn setzte. In aller Form rief er nach seiner Sekretärin und diktierte ihr einen Brief an den Direktor der Bank von Portugal. Er bat ihn, ihm den von Van Goyen übermittelten Auftrag zu bestätigen. Monsieur Van Goyen erbot sich freundlicherweise, diesen Brief persönlich zu überbringen.
In Porto wurde der Brief allerdings nicht dem Direktor der Bank übergeben, sondern dem genialen Anstifter des Geschäfts, einem gewissen Jao Melendez Gavial. Dieser sagte sich, dass die beste Art und Weise, unbemerkt falsche Banknoten herzustellen, darin bestand, sie genau bei der Gesellschaft in Auftrag zu geben, die auch die echten herstellte. Um alle mit diesem Geschäft verbundenen Schwierigkeiten auszuschalten — Papierkauf, Einschaltung von Spezialisten, Geheimhaltung des Herstellungsortes, mögliche Erpressung, Verbreitung falscher Banknoten — , genügte es, einen falschen Bestellschein auszufüllen und ihn von einem echten Banknotenhersteller annehmen zu lassen. Eine Idee, die in ihrer Einfachheit genial war.
Einige Tage später wurde eine seriös aufgemachte Antwort nach London gesandt, die von Melendez Gavial erstellt worden war. Die erste Sendung von »neuen« Fünfhundert-Escudo-Banknoten gelangte nach Porto. Natürlich kam niemand auf die hirnrissige Idee, sie mit dem unpassenden Vermerk »Angola« zu versehen. Sie wurden in Umlauf gebracht und waren, wie üblich, absolut unauffällig. Man fasste sogar ins Auge, für diesen Zufluss von Bargeld die effizienten Dienste von Melton and Sons zu bezahlen.
Doch nach wenigen Tagen wurde die portugiesische Regierung auf den Umlauf einer erstaunlich hohen Menge von Fünfhundert-Escudo-Banknoten aufmerksam. Immer wenn diese Scheine in die Bank gelangten, unterzog man sie einer näheren Prüfung. Sie waren offensichtlich alle echt. Als jedoch eines Tages eine Bank in Porto, die sich neben der »Angola und Metropole« befand, vier identische Banknoten mit der gleichen Seriennummer entdeckte, wandte man sich unverzüglich an die Polizei. Mister Melton sah sich gezwungen, Erklärungen abzugeben. Und damit begannen die Probleme für seine Firma, denn die portugiesische Regierung warf ihm zu Recht Nachlässigkeit vor.
Inzwischen wurde in Portugal eine Großaktion gestartet, um alle Fünfhundert-Escudo-Noten aus dem Umlauf zu nehmen. All jene, die solche Scheine in ihrem Waschkessel oder ihrem Wollstrumpf versteckt hatten, gerieten in Panik. Die Ordnungskräfte mussten die Menge, die sich vor den Banken drängte, im Zaum halten. Schließlich war alles wieder im Lot, doch war Portugal nur knapp einer Wirtschaftskrise entgangen.
Jao Melendez Gavial wurde festgenommen und streng bestraft. Dreißig Jahre später starb er bettelarm. Doch der geniale junge Holländer, ein Liebling der Götter, wurde lediglich zu elf Monaten Gefängnis verurteilt. Danach zog er sich nach Frankreich zurück und verlebte dort, geachtet von seinen Nachbarn und seiner portugiesischen Hausmeisterin, den Rest seines Lebens.
Der schwarze Koffer
14. März 1960. Ein Mann um die vierzig trat in Paris an den Anmeldeschalter des »Aérogare des Invalides«, einem Zubringerdienst, der die Fluggäste mit Bussen zum Flughafen brachte. Er wirkte überhaupt nicht wie ein Geschäftsmann, damals praktisch die einzige Kundschaft für Flüge, 1960 war es nämlich noch etwas Besonderes, ein Flugzeug zu nehmen.
Der Mann war groß, hatte eine eindrucksvolle Statur, eine rote Gesichtsfarbe, schwielige Hände und trug das blonde
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