Die Bluterbin (German Edition)
steil abfallende Steinwände einen natürlichen Schutz vor feindlichen Angriffen boten. Zwei Wachtürme und ein breiter Graben sicherten die Burg nach vorne hin ab.
Mit klopfendem Herzen lenkte Robert sein Pferd über die hölzerne Zugbrücke in den geräumigen Innenhof und stellte erleichtert fest, dass hier noch alles genauso aussah, wie er es in Erinnerung hatte.
Er verabschiedete sich kurz von seinen Begleitern, übergab das Pferd einem Knecht und durchschritt dann einen in die Mauer eingelassenen niedrigen Torbogen, der direkt auf den Wohnturm zuführte.
Das eindrucksvolle Bauwerk beherrschte mit seinem quadratischen Grundriss den gesamten oberen Teil der Burganlage. Im Erdgeschoss des Turms war das Vorratslager untergebracht, und den Haupteingang zu den Wohnräumen konnte man nur über eine Außentreppe erreichen. An deren Fuß standen wie immer zwei Posten, die sich gerade miteinander unterhielten und die er sofort wiedererkannte. Er nickte ihnen zu, lief die Treppe hinauf und betrat die Eingangshalle.
Dort sah er seinen Vater an einem der Fenster stehen, wo er sich gerade mit dem Forstaufseher unterhielt. Neben ihm standen zwei weitere Männer im Waffenrock.
Das dunkle Haar des Grafen war, seitdem ihn Robert beim Begräbnis seiner kleinen Schwester vor vier Jahren das letzte Mal gesehen hatte, noch grauer geworden. Er war ein stattlicher Mann mit tiefer, wohlklingender Stimme und einem starken Sinn für Gerechtigkeit, der ihn bei den Unfreien in der Grafschaft beliebt gemacht hatte.
Als der Graf Robert entdeckte, unterbrach er das Gespräch.
„Der verlorene Sohn kehrt zurück“, sagte er lächelnd und musterte Robert prüfend. „Wie ich sehe, ist ein Mann aus dir geworden.“
Robert trat auf seinen Vater zu und kam sofort und ohne Umschweife zur Sache:
„Ich muss mit Euch reden, Vater.“
„Das will ich meinen. Ich bin davon überzeugt, dass du mir eine ganze Menge zu berichten hast. Bringt uns Wein und etwas Braten“, rief er dem an der Tür stehenden Diener zu, der die Begrüßung von Vater und Sohn neugierig beobachtet hatte.
Dann zog der Graf de Forez Robert zu mehreren Sesseln, die direkt vor dem Kamin standen, und forderte die beiden Männer am Fenster auf, sich zu ihnen zu setzen. Der Forstaufseher verließ den Saal, der im Gegensatz zu dem von Coucy eher klein und fast schon gemütlich wirkte, obwohl er sehr sparsam eingerichtet war. Abgesehen von einem Schreibpult und der Sitzgruppe am Kamin gab es nur noch eine große Tafel, die zu den Mahlzeiten genutzt wurde und wenn Gäste da waren.
Die Wände waren mit einigen kleineren Wandteppichen geschmückt, zwischen denen wiederum große eiserne Kerzenleuchter angebracht worden waren.
„Das hier sind Hugo und Raimund, die Söhne des Herzogs von Burgund, zwei frischgebackene Ritter, die soeben ihre Schwertleite erhalten haben und die ich ebenso sehr schätze wie ihren Vater“, stellte er die beiden Ritter vor.
Er wandte sich an Robert und legte ihm die Hand auf die Schulter.
„Das ist mein Sohn Robert, der auf der Flucht vor dem Bischof von Bourges ausgerechnet diesem größenwahnsinnigen Enguerrand von Coucy in die Hände gefallen ist.“
Sein Gesicht wurde ernst.
„Warum hast du dich nicht an mich gewandt, deine Mutter und ich waren sehr besorgt, als wir die Nachricht von deiner Flucht erhielten. Wir haben es von deinem Freund Bernard erfahren, der uns eine Nachricht zukommen ließ, in der er uns mitgeteilt hat, dass du dich in Schwierigkeiten befindest. Ich bin sofort nach Bourges geritten und habe dort mit ihm gesprochen. Er war es auch, der uns von dem Mord an dem Mönch berichtet hat.
Danach habe ich noch den Bischof aufgesucht, einen undurchsichtigen Mann, den ich für sehr gefährlich halte. Obwohl er sehr beschäftigt tat, hatte ich die ganze Zeit über das Gefühl, dass er etwas vor mir verbergen wollte. Zwar hat er euch nicht direkt verdächtigt, etwas mit dem Mord an dem Mönch zu tun zu haben, aber erst vor zwei Tagen war ein Dominikanermönch im Auftrag der Heiligen Inquisition hier auf der Burg und hat nach dir gefragt. Er hat mir nicht gesagt, worum es geht, doch ich bin mir sicher, dass er nichts Gutes im Schilde führt.“
„Ihr habt recht, Vater. Radulfus ist nicht nur gefährlich, sondern auch noch ein Mörder. Er war es, der Bruder Gregor und auch die arme Constance ermordet hat. Doch das ist es nicht, worüber ich mit Euch sprechen wollte.“ Abrupt wechselte Robert das Thema:
„Ich möchte Euch bitten,
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