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Die Bluterbin (German Edition)

Die Bluterbin (German Edition)

Titel: Die Bluterbin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hildegard Burri-Bayer
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den geheimen Schriften auf den Pergamentrollen zufolge – jeden Menschen mit einem einzigen Blick aus ihren dunklen Augen heilen, und sie besaß eine auffallend helle Haut, die sie an ihre Tochter weitervererbt hat. Gott hat uns in seiner großen Gnade ein Licht im Dunkeln hinterlassen, um unseren Glauben zu stärken und uns Hoffnung zu geben.“
    Er hielt inne und betrachtete Robert prüfend, um zu sehen, welchen Eindruck seine Worte bei ihm hinterlassen hatten und ob er wohl auf das vorbereitet war, was er ihm nun im Folgenden noch zu sagen hatte:
    „Eure Marie stammt aus dem Geschlecht Maria Magdalenas, es kann gar nicht anders sein. Die Pergamente konnten bis heute noch nicht alle entschlüsselt werden, da sie in einer Geheimschrift verfasst worden sind, die aus hebräischen, aramäischen und griechischen Buchstaben besteht, und weil jeweils immer nur ein auserwählter Mönch Zugang zu ihnen erhalten hat. Diese Auserwählten haben ihr gesamtes Leben ausschließlich dem Studieren dieser Schriftstücke gewidmet und bis zu ihrem Tode in völliger Zurückgezogenheit gelebt. Nur so ist es uns gelungen, unser Geheimnis bis zum heutigen Tage zu bewahren. Und durch die unfreiwillige Unterstützung unserer Brüder im Kloster Vezeley, die davon überzeugt sind, im Besitz der echten Gebeine Maria Magdalenas zu sein und die Nachricht davon überall lauthals verkünden.
    Der Überlieferung nach soll der Herzog von Burgund, nachdem er das Kloster von Vezeley hatte erbauen lassen, einen Mönch nach Aix gesandt haben, der den Auftrag hatte, die Reliquien Maria Magdalenas nach Vezeley zu überführen. Als er dort ankam, war die Stadt jedoch von den Heiden geplündert und in Schutt und Asche gelegt worden. Nur zufällig fand er das vermeintliche Grab Maria Magdalenas und barg die sterblichen Überreste, die darin lagen. Seit dieser Zeit pilgern die Menschen nach Vezeley, und wir haben unsere Ruhe.
    Doch trotz aller Vorsichtsmaßnahmen haben die Templer vor einigen Jahren von unserem Geheimnis erfahren und das Kloster überfallen. Wir wissen nicht, wie sie hinter unser Geheimnis gekommen sind, weil es eigentlich unmöglich war, aber es hat ihnen auch nichts genutzt. Nachdem sie rücksichtslos alles durchsucht und geplündert hatten, entführten sie den damaligen Abt und folterten ihn, ohne ihm jedoch ein einziges Wort entlocken zu können. Der Herr hat ihm die Kraft gegeben, stark zu bleiben und nichts zu verraten. Auf dem Sterbebett hat er sein Geheimnis dann an mich weitergegeben.“ Er hatte schnell und hastig geredet und hielt nun einen Moment inne, um Luft zu holen.
    „Der Text, den wir im Laufe der Zeit entschlüsseln konnten, klingt äußerst verheißungsvoll: „Dies sind die geheimen Worte des lebendigen Gottes: Erkennt, was vor eurem Angesicht ist, und das Verborgene wird sich euch offenbaren. Denn es gibt nichts Verborgenes, was nicht offenbar werden wird.“
    Wie gebannt hatte Robert den letzten Worten des Abtes gelauscht, danach war es so still in dem Gewölbe, dass er seinen eigenen Atem hören konnte. Eine feuchte Kühle stieg vom Boden hoch und ließ Robert frösteln, doch er bemerkte es nicht einmal.
    Im Schein der Fackeln trafen sich ihrer beider Augen.
    „Das größte Geheimnis aber konnten wir bis heute nicht lösen, obwohl wir glauben, dass es in den noch nicht entschlüsselten Texten enthalten ist.“
    Die Stimme des Abtes war nur noch ein raues Flüstern, und in seine Augen trat ein merkwürdiger Glanz.
    „Wer war der Vater von Maria Magdalenas Tochter?“ Er wagte es nicht, seine Vermutungen laut zu äußern, und doch war er voller Hoffnung, denn seine seltsamen Träume waren in den letzten Nächten immer intensiver geworden, und stets war vor seinen Augen das brennende Kreuz mit dem Mädchen davor erschienen.
    „Ich fühle, dass wir nah dran sind“, wisperte er und schwieg dann.
    Die plötzliche Stille in dem kühlen Raum wirkte erdrückend, und Robert merkte auf einmal, dass ihn fror. Er hatte zwar das Gefühl, dass ihm der Abt noch etwas sagen wollte, und wartete deshalb schweigend ab, ob noch etwas folgen würde. Doch die Stille drückte mit jedem Moment, der verrann, stärker auf sein Gemüt, während die in seinem Kopf wirbelnden Gedanken die unterschiedlichsten Gefühle in ihm auslösten.
    Endlich ergriff der Abt wieder das Wort, und seine Worte hallten nach der fast schon schmerzhaften Stille wie Hammerschläge durch das Gewölbe. Er sprach so leidenschaftlich, dass Robert unwillkürlich

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