Die Bluterbin (German Edition)
zusammenzuckte.
„Es ist mein sehnlichster Wunsch, Eurer Marie ein einziges Mal begegnen zu dürfen. Einmal nur möchte ich den lebendigen Beweis Gottes mit meinen eigenen Augen sehen, und ich bete jeden Tag, dass der Herr mir diesen Wunsch erfüllt.“
Beinahe verschämt blickte ihn der Abt nun an. Er hatte nicht vorgehabt, dem jungen Grafen seine geheimsten Gedanken anzuvertrauen, aber sein Herz hatte seinen Verstand überrannt, ohne dass er etwas dagegen hatte tun können.
Robert konnte ihn gut verstehen, auch in ihm brannte die Sehnsucht nach Marie.
„Wenn es mir gelingt, Marie aus der Burg Coucy zu befreien, werde ich sie zu Euch bringen“, versprach er feierlich und reichte dem Abt beide Hände.
„Bitte gebt mir Euren Segen und schließt uns in Eure Gebete ein“, bat er.
Abt Simon erfüllte seine Bitte und segnete ihn.
„Wenn Ihr Hilfe braucht, dann gebt mir Bescheid.“ Plötzlich wurde er unruhig.
„Rasch“, meinte er, „wir müssen wieder zurück sein, bevor es Zeit für das Hochamt ist“, und Robert half ihm eilig, die Fackeln wieder zu löschen. Wie benommen folgte er dem Abt über die steile Treppe wieder nach oben, wo sie es gerade noch rechtzeitig schafften, den Altar knirschend in seine ursprüngliche Stellung zu drehen, als auch schon der Sakristan erschien, um alles für das Hochamt vorzubereiten. Neugierig sah er zum Abt und dem Fremden hinüber, doch ein strenger Blick von Abt Simon genügte, um ihn an seine Pflichten zu erinnern.
Der Abt warf Robert noch einmal einen verschwörerischen Blick zu.
„Wir sehen uns beim Abendessen in meinen Gemächern“, sagte er leise. Dann verschwand er in Richtung Sakristei, um sich für das Hochamt umzuziehen.
Robert verließ die Kapelle durch die Seitentür. Von den Gästen des Klosters wurde erwartet, dass sie am Hochamt teilnahmen, aber bis dahin blieb noch etwas Zeit, und er beschloss, nach Bernard zu sehen.
Er brannte darauf, mit Bernard zu sprechen, bis ihm wieder einfiel, dass er gelobt hatte, das Geheimnis des Klosters, das gleichzeitig auch Maries Geheimnis war, vor jedem zu bewahren. Von dem gerade Erlebten noch immer völlig durcheinander, setzte er sich daher auf eine der Steinbänke im Garten, um wieder ruhiger zu werden. Lange Zeit saß er so da und lauschte in sich hinein. Konnte es wirklich wahr sein? Seine Marie, eine Bluterbin Maria Magdalenas?
Sie hat heiliges Blut in ihren Adern. Heiliges Blut, hämmerte es in seinem Kopf. Nicht einmal ihre Familie schien zu ahnen, dass das Blut Maria Magdalenas durch Maries Körper floss. Hätten sie es gewusst, hätten sie Marie sicher wie einen Schatz behütet und geschützt, anstatt sie nur widerwillig in ihrer Mitte zu dulden.
Es war unfassbar, und doch war es die einzige Erklärung für die Wunder, die sich rund um seine geliebte Marie herum ereigneten. Gott hatte ihn mit Marie zusammengeführt. Es war kein Zufall gewesen, dass sie damals vor der Kathedrale direkt in seine Arme gestolpert war, ebenso wenig wie es ein Zufall war, dass er sich in diesem Kloster befand. Marie hatte immer auf Gott vertraut und sich von Ihm führen lassen, während er ständig an Ihm gezweifelt hatte. Ihr unerschütterlicher Glaube hatte ihr die Kraft gegeben, stark zu sein und nichts zu fürchten, nicht einmal Enguerrand.
Nachdem Robert dies erkannt hatte, wurde er ruhiger. Wie einfach doch alles war. Seine Mutter hatte recht gehabt, als sie versucht hatte, ihm klarzumachen, dass es sinnlos war, gegen das Schicksal zu kämpfen, anstatt auf Gott zu vertrauen und sich von Ihm führen zu lassen. Robert faltete seine Hände zum Gebet und betete zu Gott, ihm den richtigen Weg zu weisen.
Das Hochamt war längst vorüber, als er sich endlich wieder erhob und die Krankenstube betrat. Zu seiner Enttäuschung fand er Bernard jedoch tief und fest schlafend vor.
Bruder Blasius trat zu ihm.
„Ich habe Eurem ungeduldigen Freund starke Kräuter in den Wein getan. Es dient seiner Gesundheit. Im Schlaf wird er sich am besten erholen.“
Robert war viel zu aufgewühlt, um es noch länger in der Krankenstube auszuhalten, und so lief er an den Häusern der Handwerker vorbei und in Richtung der Ställe.
Dort fand er Jack, der niedergedrückt vor sich hin brütete.
„Es geht deinem Herrn schon besser“, munterte ihn Robert auf. „In ein paar Tagen werden wir sicher weiterreiten können.“
„Darf ich zu ihm?“, fragte der Knappe hoffnungsvoll.
Robert nickte und beobachtete, wie Jack mit schnellen Schritten
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