Die Blutgabe - Roman
noch zu arbeiten.«
Cedric hob eine Augenbraue. Das war eine offene Provokation. Vielleicht sogar eine Art Warnung. Dieser Mensch war nicht nur furchtlos. Er war auch skrupellos, wenn es darum ging, zu bekommen, was er wollte. Das war in seinen Worten deutlich zu spüren.
»Dann wünsche ich viel Vergnügen«, sagte Cedric. Doch er hatte das Gefühl, dass sein Sarkasmus steif klang. »Kris begleitet dich wohl nach Hause?«
Kris, der während der ganzen Zeit nicht ein einziges Wort gesprochen hatte, nickte stumm.
Katherines Blick flog inzwischen unruhig zwischen Chase, Kris und Cedric hin und her. Sie begriff noch immer nicht, worum es ging, und Cedric verstand, dass sie das allmählich wahnsinnig machen musste. Schließlich ging es hier um sie.
Er legte eine Hand auf ihre Schulter.
»Dann erwarten wir dich morgen wieder hier.« Er nickte Chase zu. »Kris, wir sehen uns heute Abend.«
Kris neigte zustimmend den Kopf. »Bis später, Katherine«, sagte er und lächelte leise.
»Bis später«, murmelte Katherine und wich Chase’ Blick aus, als er an ihr vorbeiging.
Als die Tür hinter den Beiden ins Schloss fiel, hatte Cedric das Gefühl, als wäre eine zentnerschwere Last von seinem Rücken genommen worden.
Katherine, die ein Stück in ihrem Stuhl zusammengesunken war, sah fragend zu ihm auf. »Wer war das?«
Cedric antwortete nicht sofort. Er drückte Katherines Schulter noch einmal und ließ sie dann los. Es war nur verständlich,dass sie diese Frage stellte. Aber er konnte ihr in diesem Fall unmöglich die Hintergründe erklären. Je weniger Personen darüber Bescheid wussten, desto geringer war das Risiko, dass etwas davon an die Öffentlichkeit kam. Und das schloss auch Katherine mit ein, selbst wenn Cedric ihr für gewöhnlich bedingungslos vertraute.
»Ein Bekannter von Kris«, wiederholte er und wusste, dass er sich damit ihren Zorn zuziehen würde. »Das habe ich doch schon gesagt.«
Katherine schüttelte ärgerlich den Kopf. »Das wollte ich auch nicht wissen.«
Cedric ging zu seinem Schreibtisch und faltete die Tageszeitung auf, die er wie jeden Morgen darauf abgelegt hatte. Er sah Katherine nicht mehr an. Natürlich konnte er sie nicht täuschen. Aber er konnte so tun, als ob er das nicht wusste.
»Manchmal ist es besser, wenn man nicht zu genau nachfragt«, sagte er halblaut, während er sich scheinbar in die Lektüre eines Artikels vertiefte.
Katherine stand mit einer ruckartigen Bewegung auf. »Was soll das, Cedric? Es geht hier um mich! Kannst du nicht verstehen, dass ich wissen will, wer in meiner Vergangenheit herumwühlt? Wenn dieser schreckliche Mensch das Tagebuch findet, kann er es lesen, bevor ich es auch nur zu Gesicht bekomme!«
Cedric hob den Kopf. Das war kindisch. Bei allem Verständnis, das er für sie hatte – das war eine alberne und unvernünftige Argumentation. Er spürte, wie sich nun auch in seiner Brust ein Funken Ärger regte. Sie dachte nicht mehr nach, bevor sie sprach. Er musste diese Diskussion beenden, bevor sie völlig aus den Fugen geriet. Cedric starrte Katherine aus funkelnden Augen an.
»Willst du es selbst holen? Willst du ausprobieren, ob du vielleicht noch einmal wahnsinnig wirst?«
Katherine ballte die Fäuste.
»Vielleicht will ich das«, fauchte sie. »Aber du hältst es ja nicht einmal für nötig, mich zu fragen!«
Cedric schnaubte. Sie hörte ihm einfach nicht zu. »Sei doch nicht dumm.«
Katherine klappte den Mund auf und wieder zu – aber die Worte schienen ihr im Hals stecken zu bleiben.
»Du wirst mir also nicht sagen, was du weißt.«
Mit einem angestrengten Seufzer ließ sich Cedric auf seinen Stuhl fallen. »Nein.«
Katherine kniff die Lippen zusammen. »Na gut«, presste sie mühsam beherrscht hervor, »dann eben nicht. Aber dann erwarte du bitte auch keine Hilfe mehr von mir.«
Sie drehte sich auf dem Absatz um und stürmte mit großen Schritten aus dem Raum. Die Tür erbebte in ihren Angeln, als sie sie mit aller Kraft ins Schloss warf.
Wie erschlagen blieb Cedric sitzen, wo er war. Es hatte keinen Sinn, ihr jetzt nachzulaufen. Sie brauchte Zeit, um sich zu beruhigen und noch einmal über das nachzudenken, was gerade geschehen war. Katherine war nicht dumm. Sie würde begreifen, dass er nichts verschwieg, um sie zu verletzen.
Und dann würde er sich bei ihr entschuldigen.
Aber nicht eher.
Kapitel Elf
Forschungsstation White Chapel, Kenneth, Missouri
Am Abend desselben Tages kehrte Kris etwas früher in die
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