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Die Blutgabe - Roman

Die Blutgabe - Roman

Titel: Die Blutgabe - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franka Rubus
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wiederholte er fassungslos.
    Janet nickte. Kris sah sie mühsam schlucken. Und er erkannte erschrocken, dass sie – die furchtlose Janet – Angst hatte.
    »Irgendwas ist mit ihr nicht normal«, wisperte sie. »Sie ist … bösartig.«
    Vergeblich versuchte Kris, den Kloß hinunterzuwürgen, der sich in seiner Kehle festsetzen wollte. Wäre es Katherine gewesen oder auch Céleste, die vor ihm stand, er wäre ganz selbstverständlich davon ausgegangen, dass sie die Angelegenheit unnötig dramatisierten.
    Aber nicht Janet.
    Wenn Janet Angst hatte, dann hatte sie einen guten Grund dazu.
    »Wo ist sie jetzt?«, fragte er und bemühte sich, sein eigenes Unbehagen nicht zu offensichtlich werden zu lassen.
    Janet sah zur Seite und strich sich fahrig die Haare aus der Stirn.
    »Ich weiß es nicht. Sid jagt sie.«
    »Sid!«
    Janet nickte schwach. »Ich hätte sie nicht aufhalten können«, murmelte sie wie um Verzeihung bittend. »Und ihn erst recht nicht.«
    Kris hörte ihr schon kaum noch zu. Das durfte doch nicht wahr sein! Sid jagte Blue! Das konnte nicht gutgehen. Er musste sie finden, bevor …
    Er packte Janet an den Schultern. »In welche Richtung ist sie gelaufen?«
    Janet schüttelte den Kopf. »Ins Treppenhaus. Mehr weiß ich auch nicht.«
    Kris atmete tief durch. »Du sagst Cedric Bescheid«, sagte er noch. Dann rannte er los. Er flog geradezu über den Gang und riss die Tür zum Treppenhaus auf – als er hinter sich Janets Stimme hörte.
    »Ich will nicht, dass du mich hasst!«
    Kris warf einen Blick über die Schulter. Janet stand auf dem Gang und starrte ihm mit verbissenem Gesicht nach. Er konnte ihre zurückgedrängten Tränen riechen. Kurz flammte ein Funke Mitleid in ihm auf. Aber er hatte keine Zeit für ernste Gespräche. Er durfte Blue auf keinen Fall verlieren, oder er selbst würde verlieren. Gegen
Céleste
verlieren.
    Die Tür fiel krachend hinter ihm zu.
    Für einen Moment blieb er stehen und horchte.
    Nichts.
    Kris schloss die Augen und zwang sich zur Konzentration. Es würde ihm nichts nützen, kopflos in die falsche Richtung zu rennen. Der Fluchtinstinkt würde Blue nach unten treiben. Aber Sid würde sie nicht bis in die Labors im Erdgeschoss laufen lassen. Also nach oben? Oder …
    Ein ohrenbetäubender Knall unterbrach seine Gedanken. Dann ein langgezogener Klagelaut, gefolgt von einem wilden Lachen, das ihm durch Mark und Bein fuhr.
    Kris ließ augenblicklich jeden Gedanken fallen und rannte los. Er hatte recht gehabt. Sie waren nach oben gelaufen.
    Sie waren auf dem Dach.
    Auf dem Weg die Treppe hinauf sammelte er die Dunkelheit in seiner Stimme. Er hatte sich vorgenommen, seine Gabe hier in White Chapel nicht mehr einzusetzen. Aber jetzt blieb ihm keine andere Wahl. Sid war mehr als doppeltso alt wie er und im Kampf geübt – nicht wie Kris, der seine Fähigkeiten bisher kaum außerhalb der Trainingssituationen gebraucht hatte. Er betete, dass Janet auf ihn hörte und Cedric informierte. Denn wenn der Wächter Blue ernsthaft jagte, dann war es bei weitem nicht sicher, ob Kris allein ihn davon abhalten konnte, Blue auf seine Art endgültig ruhig zu stellen. Sie war erwacht, damit hatte sie ihren Schutz verloren. Und der Einzige, der Sid zum Rückzug bewegen konnte, wenn er erst einmal im Jagdfieber war, war Cedric persönlich. Aber vielleicht konnte Kris ihn immerhin so lange ablenken, bis der Doktor eintraf.
    Wenn es nicht bereits zu spät war.
     
    Der Wind trieb ihm Staub in die Augen, als er die Stahltür aufstieß und auf das gewaltige Flachdach hinaustrat. Die feinen Partikel glitzerten im letzten Licht der sinkenden Sonne und wurden vom starken Wind rasch davongetragen. Vergeblich versuchte Kris, durch die Schleier etwas zu erkennen. Wo war Blue? Und wo war Sid?
    In diesem Augenblick drang durch den Staub die Stimme des Wächters zu ihm herüber.
    »Das Verlassen der Station ist nur mit Passwort gestattet.«
    Kris’ Herz setzte einen Schlag aus.
    Durch den sich lichtenden Nebel konnte er allmählich zwei Gestalten erkennen. Blue lag am Boden. Um sie herum waren in großem Umkreis die Bodenplatten zu einer Trümmerwüste geborsten, aus der noch immer Staub aufstieg. Ihr hagerer Körper war blutüberströmt. Sid hing wie eine Spinne hoch oben in einem der riesigen Antennenmasten, die den Funkempfang auf White Chapel gewährleisteten. Sein ausgestreckter Arm war auf die junge Frau unterihm gerichtet, die sich verzweifelt bemühte, von ihm fort zu kriechen. Sie keuchte etwas, ein Wort,

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