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Die Blutgabe - Roman

Die Blutgabe - Roman

Titel: Die Blutgabe - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franka Rubus
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ich mir doch vorgenommen hatte, jeden Abend zumindest ein paar Zeilen zu schreiben, um meinen Lieben daheim so genau wie
möglich von meinem Dschungelabenteuer berichten zu können. Aber so ist das nun mal mit guten Vorsätzen: Je besser sie sind, desto schwerer sind sie einzuhalten. Die Wahrheit ist, ich war schlicht und ergreifend zu müde, um abends noch etwas anderes zu tun, als zu schlafen. Darum werde ich jetzt versuchen, die Ereignisse der letzten Tage kurz zusammenzufassen, bevor ich mich zu den anderen auf den Dorfplatz geselle. Die Einwohner des Dorfes haben uns sehr herzlich empfangen und wollen heute Abend extra für uns eine kleine Feier veranstalten. Man darf gespannt sein, aber ich bin mir sicher, dass es schön wird. Diese Menschen sind unglaublich freundlich, und ich mag sie sehr, obwohl sie nur schlecht Spanisch und überhaupt kein Englisch sprechen und die Verständigung entsprechend kompliziert ist. Zum Glück haben wir Angél bei uns.
    Das Wetter blieb in den letzten Tagen tatsächlich stabil, und es hat seit unserem Aufbruch nur noch zweimal kurz geregnet. Das behauptet zumindest Angél. Ich persönlich hätte darüber keine Aussage treffen können, denn unter dem dichten Blätterdach erreicht uns der Regen sowieso nicht. Stattdessen tropft es ohne Unterbrechung von den Zweigen. Man wird hier niemals richtig trocken, und es ist ein wahres Wunder, dass noch niemand von uns krank geworden ist. Denn wenn man bis auf die Haut durchnässt ist, friert man sogar in den Tropen. Heute Morgen habe ich meine letzten trockenen Hosen und Shirts angezogen, die ich in einer Plastiktüte in meinem Rucksack aufbewahrt hatte. Ich bin heilfroh, dass wir nun das Dorf erreicht haben, wo all unsere Sachen jetzt am großen Dorffeuer zum Trocknen aufgehängt sind. Und ein warmes Bad haben wir nehmen können. So gut hat mir schon lang nichts mehr getan. Auch ein verhältnismäßig festes Dach über dem Kopf zu
haben ist eine echte Erleichterung nach drei Nächten im Zelt. Nur sind die Tropfen, die noch immer ununterbrochen von den Bäumen fallen, sehr laut. Auf Dauer würde ich davon vermutlich wahnsinnig werden, wenn ich ständig hier leben müsste. Und wenn nicht davon, dann von den anderen Geräuschen des Waldes, die niemals verstummen. Viele Tiere stoßen Rufe in gleichmäßigen Abständen aus, so dass man sie irgendwann einfach ausblenden kann. Aber andere rufen völlig unberechenbar und schrill, so dass man ständig aufschreckt. Wäre ich in den letzten Nächten nicht so schrecklich müde gewesen, hätten sie mich sicher um meinen Schlaf gebracht. Aber auch heute Abend sehe ich da keine Gefahr.
    Die Anzahl meiner Mückenstiche ist auf stolze neunundzwanzig gestiegen. Angél rät uns dringend davon ab, sie aufzukratzen. Er hat gut reden, denn er bleibt von diesen Biestern wie durch ein Wunder verschont. Trotzdem halte ich mich an das, was er sagt, obwohl mich der Juckreiz verrückt macht. Ich habe genug Schauergeschichten über offene Stiche gehört, in die andere Insekten dann ihre Eier gelegt haben, dass ich mich recht gut beherrschen kann.
    So seltsam das klingt, ich habe mich schnell an die wilde Umgebung gewöhnt. Mittlerweile bin ich gar nicht mehr ängstlich, sondern nur noch begeistert. Das liegt wohl auch daran, dass die Tiere im Wald nicht annähernd so aggressiv sind, wie einen Film und Fernsehen glauben machen wollen. Natürlich gibt es hier etliche Arten, die theoretisch gefährlich für Menschen sein können. Aber die Tiere haben keine Angst, ja nicht einmal Interesse an uns. Wir fallen nicht in ihr Beuteschema, hat Angél erklärt. Und solange man nicht auf die giftigen Schlangen, Frösche oder Spinnen tritt, nehmen sie es gleichgültig hin, wenn man an ihnen vorbeigeht oder sie für eine Weile
betrachtet. Gestern ist ein Nasenbär so dicht an mir vorüber gelaufen, dass ich ihn mit der Hand berühren konnte. Und das hat ihn nicht einmal gestört.
    Am meisten fiebern wir alle aber dem Augenblick entgegen, wo wir die ersten Jaguare sehen werden. Morgen Mittag brechen wir zur zweiten Etappe unserer Reise auf. Aber erst einmal möchte ich jetzt einen gemütlichen Abend am Feuer verbringen – und danach ausgiebig ausschlafen. Das haben wir uns wirklich verdient.
     
    19. Februar 2010
    Wir sind wieder unterwegs. Der Urwald hat sich heute von seiner schönsten, trockensten Seite gezeigt, so dass wir gut vorangekommen sind. Nachdem ich bis weit in den Vormittag hinein geschlafen habe, fühle ich mich

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