Die Blutgabe - Roman
Information enthielt.
Aber es war genug. Mehr als genug.
»Sid!«
Seine Stimme klang nach der langen Stille viel zu laut in dem kleinen Zimmer.
Sekundenlang geschah nichts. Ruckartig stand Cedric auf, um zur Wand zu gehen.
»Sid!«
Der Kopf des Wächters tauchte aus dem Fußboden auf.
»Alles in Ordnung, Doc?« Er klang verwundert.
»Wo bleibst du so lange?« Cedric runzelte gereizt die Stirn.
Sid verdrehte leidgeprüft die Augen. »Ich hab es Ihnen doch gesagt, Doc. Ich kann nicht schneller. Wenn Sie mal endlich den Generator anschmeißen würden …«
Mit einem Knurren winkte Cedric ab. »Schon gut. Wir sprechen später darüber. Sag den anderen Bescheid. Wir halten eine Mitarbeiterbesprechung im Seminarraum ab. So schnell wie möglich.«
Kapitel Fünfzehn
Forschungsstation White Chapel, Kenneth, Missouri
Sie hatten sich wirklich eilig versammelt.
Gespannt saßen sie um den runden Tisch im Seminarraum – hatten sich nicht einmal Zeit genommen, die Laborkittel auszuziehen. Janet, Kris und Pei Lin. Sie alle sahen Cedric aus hellwachen Augen an. Und das, obwohl es kurz vor dem Morgengrauen und ebenso kurz vor dem Wochenende war. Die Neugier hatte die Müdigkeit besiegt. Einzig und allein Sid schien gelangweilt zu sein wie immer.
Und Katherines Platz war leer.
Cedric atmete tief durch und legte mit einer bewusst bedächtigen Bewegung das Tagebuch auf den Tisch.
»Danke, dass ihr so schnell gekommen seid. Ich habe euch zusammengerufen, weil ich euch zwei Mitteilungen zu machen habe. Sie betreffen die Organisation unserer Arbeitsgruppe und unser weiteres Vorgehen, was die Forschungsarbeit angeht.« Er ließ seinen Blick über seine Mitarbeiter schweifen. Janet rutschte unruhig auf ihrem Stuhl hin und her. Kris sah unter halb gesenkten Lidern zu ihm herüber. Wäre die Situation nicht so ernst gewesen, Cedric hätte sich darüber amüsiert. Janet hatte gute Gründe, zu befürchten, dass es bei dieser Besprechung um sie gehen würde. Oder zumindest um den Vorfall mit Sid und der 159 auf dem Dach. Kris wiederum musste das Tagebuch erkannt haben. Und er hatte gehört, was Chase über die Bluterin in den Dirty Feetgesagt hatte. Vermutlich fragte er sich, wie Cedric mit dieser Information umgehen würde – und damit, dass er Kris durchaus indirekt die Schuld an dem Vorfall geben konnte. Die Einzige, die mit ruhigem Gewissen an diesem Tisch saß, war Pei Lin. Cedric wagte nicht zu beurteilen, wie viel sie von dem, was in der letzten Zeit in der Station vor sich gegangen war, mitbekommen hatte. Aber in ihrer einzigartig zurückhaltenden Art hatte sie es geschafft, sich von den Ereignissen in keiner Weise berühren zu lassen. Und gerade in diesem Moment machte sie das in Cedrics Augen ungemein sympathisch.
»Wo ist Katherine?«, platzte Janet plötzlich heraus. »Warten wir nicht auf sie?«
Cedric spürte, wie Kris’ Blick ihn traf. Aber er bemühte sich, sich nichts anmerken zu lassen.
»Das ist der erste Punkt, über den ich mit euch sprechen möchte«, erklärte er so ruhig wie möglich. »Katherine hat uns gestern Abend verlassen. Aus persönlichen Gründen.«
Betroffenes Schweigen antwortete ihm.
»Die Wahrscheinlichkeit, dass sie zurückkommt, ist sehr gering«, fuhr Cedric fort und wunderte sich selbst, wie nüchtern seine Stimme dabei klang. »Daher müssen ihre Aufgaben neu verteilt werden, bis der Antrag auf eine Neubesetzung der Stelle alle bürokratischen Hürden überwunden hat. Ihr wisst, wie lange so etwas dauert.« Er ließ seinen Blick von einem zum anderen wandern. »Ich schlage also vor, dass sich Kris und Janet bis auf Weiteres um die Versorgung der Menschen und Versuchsobjekte kümmern. Pei Lin, dich würde ich bitten, Katherines Job als meine Assistentin zu übernehmen.«
Pei Lins schmale Augen weiteten sich. »Ich?«
Cedric nickte und rang sich ein Lächeln ab – ermutigend, wie er hoffte. »Sofern du dich davon nicht überfordert fühlst, versteht sich.«
Pei Lin schüttelte den Kopf. Natürlich hatte sie keine Ahnung, was sie erwartete, dachte Cedric. Und bestimmt wäre es fair gewesen, sie vorher in einem Gespräch unter vier Augen darüber zu informieren, wo die asiatische Höflichkeit sie nicht daran hindern konnte, abzulehnen. Aber für Fairness hatte Cedric im Augenblick keine Zeit.
Er sah zu Janet und Kris hinüber, die ähnlich überrascht, aber nicht ganz so entgeistert wirkten wie ihre Kollegin. Cedric war sich bei weitem nicht sicher, ob es eine kluge
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