Die Blutgabe - Roman
verschränkte die Arme vor der Brust. Dieser Kris … er war wirklich beängstigend kreativ, wenn es darum ging, Regeln nach seinen Vorstellungen zu verbiegen. Der Vorschlag klang verlockend einfach. Zu einfach, um ihn beiseitezuschieben. Cedric war sich im Klaren, dass es nicht leicht sein würde, den Zuspruch vom Parlament zu bekommen, wenn er mit konservativen Versuchsobjekten arbeiten wollte – ganz gleich, wie bahnbrechend dieErgebnisse für die Forschung sein könnten. Er wollte es durchsetzen. Würde es durchsetzen. Irgendwie. Von so einer Entdeckung hatte er schließlich sein ganzes langes Leben geträumt. Und Kris’ Idee schien ein zumindest halbwegs legaler Weg zu sein, um so bald wie möglich mit den Experimenten zu beginnen. Aber wenn er in Janets und Pei Lins zweifelnde Gesichter sah, dann war Cedric nicht sicher, ob er zustimmen konnte.
»Was sagt ihr dazu?«
Janet hob unsicher die Schultern, und Cedric sah ein, dass sie zu jung und zu unerfahren war, um an dieser Stelle eine klare Meinung zu haben, denn sonst hätte sie sie ohne Zweifel kundgetan.
Pei Lin jedoch schüttelte erneut den Kopf.
»Entschuldige, Cedric. Aber ich denke, wir sollten die Genehmigung abwarten. Wir haben für den Anfang die progressiven Versuchsobjekte, mit denen wir Tests durchführen können. Und so einen wichtigen Antrag kann die Forschungsförderung doch sicherlich schnell bearbeiten. Bis dahin können wir in aller Ruhe ein Versuchsprotokoll ausarbeiten, nach dem wir dann vorgehen. Wenn du möchtest, kann ich dir über das Wochenende ein paar Entwürfe schreiben.«
Ein Seufzer entwischte Cedric.
Die Stimme der Vernunft. Über all der Aufregung begann sie ihn zu verlassen, er spürte es deutlich. Vielleicht würde die Arbeit mit Pei Lin ihm doch ganz guttun.
»Du hast natürlich recht«, sagte er. »Genau so machen wir es. Jeder von euch entwirft bis zum Ende nächster Woche einen Versuchsplan. Am Freitag gehen wir die Entwürfe gemeinsam durch und entscheiden, was das beste Vorgehen ist. Ich kümmere mich in der Zwischenzeit um den Antrag.«
Cedric griff nach seinem Stift und notierte einige Worte auf einem Zettel.
»Wenn sonst keine Fragen mehr sind, beenden wir die Sitzung für heute. Es versteht sich wohl von selbst, dass nichts von dem, was hier besprochen wurde, diesen Raum verlassen darf?«
Niemand widersprach. Nicht, dass Cedric das erwartet hätte. Er stand auf.
»Dann wünsche ich ein erholsames Wochenende. Wir sehen uns Montagabend wieder. – Sid, sei so gut, komm noch einen Moment mit mir. Guten Tag zusammen.«
Gemurmelte Grüße antworteten ihm.
Der Wächter folgte ihm schweigend, als Cedric den Raum verließ. Hinter sich hörte er Stühle rücken, und die Schritte seiner Mitarbeiter, die sich in ihre Büros zurückzogen, um sich umzuziehen. Janet und Kris unterhielten sich leise, aber Cedric hörte nicht hin. Er wollte gar nicht wissen, worum es ging.
Als sie schließlich die Tür von Cedrics Büro hinter sich geschlossen hatten, und keine Gefahr mehr bestand, dass irgendjemand sie belauschen könnte, räusperte sich der Wächter.
»Werden Sie wirklich auf diese Genehmigung warten, Doc?« Seine Augen funkelten neugierig. Die jüngsten Ereignisse hatten selbst ihn beeindruckt.
Cedric hob eine Augenbraue. »Tja … Was denkst du, Sid? Werde ich?«
Sid grinste breit. »Na, nun geben Sie schon den Brief.«
Cedric seufzte schwer. Er hatte es geahnt. Aber zumindest gab Sid freimütig zu, ihn bespitzelt zu haben. Er reichte dem Wächter das Blatt, auf das er hastig wenige Worte gekritzelt hatte.
»Papier aus dem Schrank im Seminarraum. Du kannst es mitnehmen, ohne zu Fuß zu gehen. Pass ihn ab, bevor er die Station verlässt – aber allein. Niemand sonst darf davon wissen. Nicht Janet und erst recht nicht Pei Lin. Sollte eine von den beiden dabei sein, behältst du den Brief bis Montag.« Cedric sah Sid eindringlich an.
Sid schob den Zettel in seine Hosentasche. »Geht klar, Doc.«
Cedric nickte. »Danke, Sid.«
Der Wächter salutierte grinsend.
Dann war er verschwunden.
Cedric ließ sich schwer in den Sessel am Fenster sinken und rieb sich über die Stirn. Der Inhalt seines kurzen Briefes stand ihm noch immer deutlich vor Augen.
Kris,
mach Deine Tests. Aber sag niemandem etwas davon. Ich verlasse mich auf Dich.
C.
Geheimnisse. Cedric hatte nie welche haben wollen. Nicht in dieser Forschungsgruppe.
Und er konnte nur noch hoffen, dass er mit dieser Entscheidung nicht einen großen
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