Die Blutgabe - Roman
tief durch. »Aber nicht im Schießen«, wandte er ein.
Chase sah ihn ungeduldig an. »Du bist Teamer. Du sollst überhaupt nicht schießen. Zumindest keine Abschüsse machen. Was soll der Quatsch? Willst du, dass ich es mir anders überlege?«
Red schüttelte hastig den Kopf – nein, natürlich wollte er das nicht. Obwohl … Blue würde er ja nun doch nicht finden. Was also sollte er dort draußen?
Ärgerlich über sich selbst biss er die Zähne zusammen. Er hatte so hart dafür gearbeitet, an diesen Punkt zu gelangen! Wie kam er dazu, auch nur darüber nachzudenken, auf einen Außeneinsatz zu verzichten?
»Gut.« Chase nickte. »Dann kommen wir zur Sache.« Er stellte die Füße wieder auf den Boden und stützte die Unterarmeauf die Oberschenkel. »Also, es läuft folgendermaßen: Freitag kurz nach Sonnenuntergang gehen wir durch den Tunnel runter nach Kenneth. Wenn wir da sind, suchen wir uns einen Beobachtungsposten und locken ein paar Bluter an. Du hilfst mir, sie plattzumachen, indem du mir den Rücken freihältst. Wenn der Weg wieder offen ist, gehen wir zurück in den Tunnel, und das war’s. Ganz simpel. Heute müssen wir nur entscheiden, wo wir reingehen. Normalerweise würden wir den Bericht dann morgen früh an Hannah weitergeben, damit sie die Lage für uns auskundschaftet. Aber da wir diese Woche in den Dirty Feet unterwegs sind, können wir uns das sparen. Da kommt Hannah nämlich nicht rein.«
Red sah Chase überrascht an. »Sie kann nicht in die Dirty Feet? Wieso nicht?«
Chase hob die Schultern. »Sie könnte theoretisch schon. Aber die Vampire halten sich fern von da. Zu gefährlich. Zu viele junge Bluter, könnten ja gebissen werden.« Er grinste.
Red schüttelte verständnislos den Kopf. »Warum sollte es für die Vampire gefährlicher sein als für uns? Das ergibt doch keinen Sinn.«
Chase hob eine Braue. »Ergibt es schon. Wir Menschen fallen nämlich nicht unter das Gesetz ‘Kein Vampir darf einen anderen töten’. Was glaubst du, warum sich die
Bloodstalkers
überhaupt die Mühe machen, uns das Bluterschießen beizubringen? Sie wollen ihren feigen Hintern sauber halten.« Er lachte trocken.
Red dachte einen Moment darüber nach. Natürlich, das klang logisch. Trotzdem wäre es ihm lieber gewesen, wenn Hannah vorher die Lage für sie hätte auskundschaften können.
»Und warum wäre es so schlimm, wenn Hannah von einem Bluter gebissen würde?«, fragte er deshalb.
Chase’ Augen verengten sich. Eine Weile sagte er gar nichts, sondern starrte Red nur mit durchdringendem Blick an.
»Weil sie dann selber zum Bluter würde«, erklärte er schließlich. Seine Stimme klang düster.
Red schluckte trocken. Aber Chase’ Gesicht hatte schon wieder seinen gewohnt sachlichen Ausdruck angenommen.
»Freitagnachmittag treffen wir uns noch einmal mit ihr, damit sie uns ausrüstet. Hannah baut ständig irgendwelches nützliches Zeug, das wir auf den Außeneinsätzen benutzen können. Und dann gehen wir auf die Jagd. Alles klar soweit?«
Red nickte nur. Sicher, das klang im Grunde einfach. Aber es war ja auch nur die Vorbereitung. Red hatte das unangenehme Gefühl, dass die eigentliche Jagd noch bei weitem erschreckender und gefährlicher werden würde, als er es sich auch nur vorstellen konnte. Es war vermutlich besser, jetzt noch nicht zu viel darüber nachzudenken.
Chase stand auf und zog ein mehrfach zusammengefaltetes und arg mitgenommenes Stück Papier aus seiner Hosentasche. Dann schob er Reds Bettdecke zur Seite und breitete das Papier auf der Matratze aus. Ein wirres Bild aus Linien und Kästchen entfaltete sich vor Reds staunenden Augen.
»Das ist Kenneth«, erklärte Chase. »Wir sind hier.« Er deutete auf ein Kästchen, das ein gutes Stück abseits von den anderen lag. Red begriff, dass es sich um einen Plan von der Stadt handeln musste. Die Linien repräsentierten die Straßen, die Kästchen Häuser. Red hatte so etwas noch nie gesehen. Es beeindruckte ihn zutiefst, obwohl er versuchte, sich das vor Chase nicht anmerken zu lassen.
»Hier sind die Dirty Feet«, fuhr Chase fort und umkreiste mit seinem Finger einen Teil der Karte. Dann deutete er nacheinander auf drei Punkte am Rand des Gebiets. »Wir kommen entweder hier, hier oder hier raus. Weil es dein erster Einsatz ist, würde ich sagen, wir fangen oben an. Da ist es meist verhältnismäßig ruhig. Okay?«
»Okay.« Red nickte und spürte nun doch, wie er nervös wurde. Er würde auf seinem ersten Einsatz gleich im
Weitere Kostenlose Bücher