Die Blutgabe - Roman
fuhr in die Höhe, obwohl jeder Muskel in seinem Körper dagegen protestierte. Alle Luft schien mit einem Mal aus seinen Lungen gepresst worden zu sein. »Was?«
Kris’ Blick blieb unverändert ernst. »Sie ist nicht mehr in Kenneth.«
Reds Hände krallten sich in die Decke. Er hatte das Gefühl, ins Bodenlose zu stürzen. Das konnte doch nicht wahr sein! »Aber du …«
»Ich habe dir von den Menschen im Untergrund erzählt, um dich zu beruhigen«, unterbrach ihn Kris mit gelassener Stimme. »Ich habe darauf gebaut, dass du dich besser auf deine Ausbildung konzentrieren könntest, wenn du glaubst, dass Blue in Sicherheit ist. Und ich hatte recht.«
Red schnappte nach Luft. Seine Kehle war wie verstopft. Blue war nicht in der Stadt? Aber wo war sie dann? Und woher konnte Kris das so genau wissen? Etwas tief in Reds Inneren brach zusammen, stürzte ein wie ein wackliges Kartenhaus.
»Diese Menschen sind gut darin, sich vor Vampiren zu verstecken!«, protestierte er, klammerte sich verzweifelt an Strohhalme, um nicht in das gähnende Nichts zu fallen, das sich plötzlich unter ihm auftat. »Das hat du selbst gesagt! Woher weißt du, dass sie nicht dort ist?«
Sanft legte Kris ihm die Hand auf die Schulter.
»Ich weiß es«, sagte er ruhig, »weil ich sie selbst an einen anderen Ort gebracht habe. Und diesen Ort kannst du, Red, nicht betreten. Noch nicht. Eines Tages, in gar nicht langer Zeit wirst du das sicher. Aber bis dahin musst du weiter Geduld haben.«
Red spürte seine Unterlippe zittern. Er wusste nicht, ob er erleichtert oder zornig sein sollte. Kris hatte ihn also die ganze Zeit belogen! Er hatte gewusst, wo Blue war, und Red absichtlich einen falschen Hoffnungsschimmer gegeben, um ihn ruhig zu halten. Oder war auch dies hier nur eine neue Lüge? Vielleicht wusste Kris überhaupt nichts!
Der Zorn siegte. Will hatte also doch recht gehabt. Redhatte Kris viel zu leicht vertraut, sich viel zu schnell von ihm und seiner sanften Stimme einwickeln lassen.
»Was für ein Ort soll das sein?«, presste er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.
Doch Kris schüttelte nur den Kopf. »Das kann ich dir jetzt noch nicht sagen. Aber wenn du dich weiter so gut bewährst, wie du es bisher getan hast, dann wirst du es sehr bald erfahren.«
Red stieß ein bitteres Lachen aus. »Ja, natürlich. Und was für eine Lüge wirst du mir dann erzählen?« Wütend stieß er die Hand des Vampirs von seiner Schulter. »Du weißt überhaupt nichts über Blue, stimmt’s? Du hast nur Angst, dass ich nicht zurückkomme, wenn ich sie gefunden habe!«
Kris betrachtete nachdenklich seine Hand. Nicht zornig. Nicht verletzt. Nur nachdenklich. Schließlich lachte er leise.
»Ich sehe, du hast dich schon mit Will unterhalten.« In seiner Stimme schwang feiner Spott. »Hat er dir erzählt, dass du bis zu deinem Tod mein Sklave sein wirst?«
Red biss sich auf die Lippe und schwieg.
»Nun ja, was soll ich sagen? Auf Will trifft das in gewisser Weise zu«, sagte Kris und entblößte seine Zähne für einen winzigen Moment zu einem Lächeln, das so freundlich war, dass es Red einen Schauer über den Rücken jagte. »Er kann froh sein, dass er überhaupt bei uns bleiben durfte. Schließlich hat er die Prüfung nicht bestanden.«
Red öffnete den Mund, um etwas zu entgegnen, ließ es dann aber bleiben. Kris’ Worte verwirrten ihn. Die Prüfung nicht bestanden? Aber wieso? Will war doch ein Executive! Und er war Kris’ Quelle!
»Wir haben ihn aufgenommen, weil wir fürchteten, dass Claire uns sonst auch verlassen würde«, erklärte Kris gelassen. »Und Claire ist eine ganz unglaublich wichtige Quelle für Hannah. Also habe ich mich bereit erklärt, Will als Diener anzunehmen. Er ist kein echter Jäger. Nicht wie du, Red.« Das Lächeln erschien wieder auf seinem Gesicht. »Will wird niemals die Möglichkeit haben, ein ewiges Mitglied der
Bloodstalkers
zu werden. Du aber schon – sofern du das überhaupt willst. Aber glaub mir, Red, wenn es wirklich dein Wunsch ist, dann kannst du gehen. Jederzeit.«
Red hatte das Gefühl, dass ein enger Eisenring um seinen Hals lag und ihm die Luft abdrückte. So war das also? Will war nicht mehr als ein Diener für Kris? Und was bedeutete das jetzt für ihn?
»Warum hat er nicht bestanden?« Er hörte seine eigene Stimme wackelig und belegt klingen; versuchte, seine Wut festzuhalten und Kraft aus ihr zu schöpfen, aber es gelang ihm nicht.
Kris hob die Schultern. »Sein Blut ist schwach. Für
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