Die Blutgabe - Roman
gebaut wurde, stand hier eine alte Kapelle mit diesem Namen. Die Bewohner des Ortes, der dazugehörte, waren wenig begeistert, als sie hörten, dass sie abgerissen werden sollte. Es beunruhigte sie sogar mehr als die Tatsache, dass auch der Rest des Dorfes umgesiedelt werden musste.« Er verkniff sich ein Grinsen. Der Fahrstuhl glitt inzwischen lautlos nach oben. »Wie dem auch sei – sie bestanden darauf, dass die Forschungsstation den Namen der Kapelle übernehmen müsste. Um den Geist zu besänftigen, der hier angeblich umgehen soll.«
Mr. Hanson sah ihn zweifelnd an. »Ein Geist also, ja? Ich wusste nicht, dass Sie als Mann der Wissenschaft so abergläubisch sind.«
Der Fahrstuhl hielt erneut, und die Türen gaben den Blick auf den Korridor des zweiten Stocks frei.
Cedric winkte ab. »Bin ich nicht, Mr. Hanson, ich kann Sie beruhigen. Einen Geist habe ich hier bisher nicht gesehen. Aber ich war, was den Namen der Station betraf, recht leidenschaftslos. Daher dachte ich, warum groß über Nichtigkeiten diskutieren.«
Außerdem mochte er den Namen aus nostalgischen Gründen, dachte Cedric. Aber wenn er das an dieser Stelle erwähnt hätte, wären sie am Ende doch bei Jack the Ripper gelandet. Und er wollte sich nur ungern Katherines Vorwürfe anhören müssen.
Mr. Hanson brummte verständnisvoll, und Cedric hörte schon wieder Mrs. James’ Stift über das Papier kratzen.
»Um zurück zu unserer Führung zu kommen.« Er räusperte sich und wechselte einen Blick mit Katherine, die ein Stück hinter ihnen zurückgeblieben war. »Wir befinden uns nun bei den Unterkünften für die Versuchsobjekte und die zu Forschungszwecken bestimmten Menschen. Wir halten immer ein Versuchsobjekt, fünf junge Progressive als Kontrollgruppe und eine variierende Zahl von Menschen. Leider können wir Ihnen die Unterkunft unseres derzeitigen VOs nicht von innen zeigen, da sie außerhalb der Tests nicht gestört werden soll. Die Kontrollobjekte können Sie selbstverständlich besichtigen. Und die Menschen – nun ja. Wenn Sie die sehen wollen …«
»Nicht nötig, Dr. Edwards. Ich denke, ich kann mir auch so ein Bild machen.« Mr. Hanson wanderte mit hinter dem Rücken verschränkten Händen an den dicken Stahltüren entlang und begutachtete die schweren Riegel, die Bluter und Menschen daran hinderten, den Ausgang ihrer Zellen mit Gewalt zu öffnen. Hin und wieder blieb er stehen, um durch eines der kleinen Sichtfenster aus Panzerglas im oberen Drittel der Türen zu spähen.
»Wie ich sehe, halten Sie Ihre Versuchsobjekte unter sehr anständigen Bedingungen«, bemerkte er. »Lobenswert, Dr. Edwards. Sehr lobenswert. Aber ist dieser finanzielle Aufwand wirklich notwendig?«
Cedric runzelte ärgerlich die Stirn.
»Die Tests sind für die jungen Progressiven sehr anstrengend«, schaltete Katherine sich ein, bevor er eine ungehaltene Antwort geben konnte. »Und die Menschen sind sehr empfindsam. Es würde einen weitaus größeren finanziellen Aufwand bedeuten, wenn aufgrund der Haltungsbedingungen zu viele von ihnen sterben – ganz abgesehen davon, dass uns dann die Artenschutzkommission aufs Dach steigt.«
»Verstehe.« Mr. Hanson nickte ernst. »Und wenn sie eine geringere Anzahl halten und nur dann neue anschaffen, wenn es nötig ist? Ich nehme an, Sie beziehen ihr menschliches Material von der OASIS bei Kenneth?«
»Wir haben das bereits im vorigen Jahr mit ihrem Kollegen durchgerechnet«, erklärte Cedric und konnte nun doch nicht verhindern, dass sich ein unwilliger Ton in seine Stimme schlich. »Wir kaufen alle zwei Monate vier Dutzend Menschen von der OASIS. Diese Menge ist das absolute Minimum, das wir verbrauchen. Und für eben diese Menge haben wir mit der Verwaltung der OASIS einen Sondertarif ausgehandelt, der uns die Deckung unseres minimalen Bedarfs zu günstigsten Konditionen sichert. Eine Änderung der Haltungsbedingungen würde unter diesen Umständen nur zu einer dauerhaften Erhöhung der Kosten führen.«
Mrs. James machte eine Notiz, und Mr. Hanson nickte bedächtig. Er wandte sich von der letzten Tür ab.
»Nun, ich denke, dann haben wir alles gesehen. Wenn Sie mir sonst nichts mehr zeigen wollen, können wir jetzt wohl in Ihr Büro gehen und über Ihren Forschungsbericht sprechen, Dr. Edwards?«
»Selbstverständlich.« Cedric zwang ein letztes Mal ein Lächeln auf sein Gesicht. Zumindest, dachte er, hatte er sichganz umsonst Sorgen gemacht. Wenn dieser Gutachter überhaupt von irgendetwas außer Geld
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