Die Blutgabe - Roman
her.«
Widerwillig schloss sie ihre Finger um seine, und Cedric stand auf, während er sie zu sich heranzog.
»Jetzt hör mir zu«, sagte er und sah ihr ernst in die Augen. »Kris ist brillant. Er ist genau derjenige, den wir hier brauchen,und aus diesem Grund möchte ich, dass er weiter für uns arbeitet. Ich verstehe, dass du dich unwohl fühlst, wenn er dich so beeinflusst. Aber gerade deshalb rechne ich ihm hoch an, dass er seine Gabe bisher nicht aktiv eingesetzt hat. Er lässt uns unsere Zweifel, und das finde ich sehr anständig von ihm. Und darum sehe ich auch keinen Grund, ihn dazu zu zwingen, mir seine Motivationen zu verraten. Nicht, solange er so freigiebig seine Genialität mit uns teilt. Du kannst mir glauben, Katherine – ich habe alles, was er tut, genau im Blick. Und er weiß das sehr gut. Denk nicht, ich würde nicht zweifeln. Aber für den Moment gehe ich davon aus, dass wir uns wegen ihm keine allzu großen Sorgen machen müssen.«
In Katherines gelben Augen glomm noch immer der Ärger, und Cedric spürte, dass sie am liebsten vehement widersprochen hätte. Schließlich jedoch senkte sie den Blick und nickte zögernd.
Cedric ließ sie los und bemühte sich um ein aufmunterndes Lächeln, das ihm wie immer ein wenig misslang.
»Vertrau mir. Ich habe lange darüber nachgedacht, wie ich mit ihm umgehen soll.«
Katherine öffnete den Mund, als wolle sie doch noch etwas sagen – aber im letzten Moment ließ sie es bleiben.
Cedric seufzte und strich ihr leicht über die Wange. »Und jetzt geh und sieh nach deinen Menschen.«
»Ja«, murmelte sie. » Bis später, Cedric.«
Sie wandte sich ab, und Cedric hatte das vage Gefühl, dass sie noch immer nicht ganz beruhigt war. Aber was sollte er dagegen tun? Mehr als die Wahrheit sagen konnte er nicht. Natürlich fiel es ihr als Vampirin vom progressiven Stamm schwer, mit den besonderen Fähigkeiten – den Blutgaben – der Konservativen umzugehen, oder ihr Vorhandensein auchnur zu verstehen. Und Cedric war nie gut darin gewesen, anderen etwas zu erklären, das für ihn selbstverständlich war. Also versuchte er es erst gar nicht.
Kris hätte es ihr sicher erklären können. Aber von ihm wollte Katherine es vermutlich nicht hören.
Ohne ein weiteres Wort verließ sie den Raum.
Cedric ließ sich zurück auf seinen Stuhl sinken.
Also dann
, dachte er,
zurück an die Arbeit.
Wo hatte er doch gleich die Versuchsaufzeichnungen der letzten Nacht hingeräumt? Nicht, dass er sie gebraucht hätte. Ein paar Nullen im Kopf zu behalten war eine leichte Übung. Aber für die Akten … Er hielt inne. Ach ja. Er hatte sie in den Papierkorb geworfen.
Nun gut. Sollten sie seinetwegen dort bleiben.
Er dachte gerade darüber nach, ob es sich noch lohnte, bei Sid einen neuen Tee zu bestellen, als es leise an der Tür klopfte.
Mit einem Seufzer griff Cedric nach seinem Notizbuch. Also schön. Dann eben erst das Dienstgespräch.
»Komm rein, Kris.«
Die Tür öffnete sich lautlos, und der jüngere Vampir betrat den Raum.
»Setz dich«, sagte Cedric und wies auf den Besucherstuhl vor seinem Schreibtisch.
Kris kam der Aufforderung schweigend nach.
Cedric schrieb das Datum auf den oberen Rand der nächsten freien Seite.
»Und«, fragte er dann und hob den Kopf, um Kris anzusehen. »Wie kommen wir voran?«
Kris lächelte schief. »Ich nehme an, du willst die pessimistische Variante hören.«
Ein kurzes Lachen entwischte Cedric, bevor er es aufhalten konnte. Was auch immer Katherine über ihn dachte – er mochte Kris’ Humor, das konnte er nicht leugnen. »Ich bitte darum.«
Kris legte einen Versuchsvordruck auf den Tisch, der mit einigen Zahlen und Notizen in Pei Lins sauberer Handschrift ausgefüllt war. Gemeinsam beugten sie sich darüber.
»Wie du siehst, unterscheiden sich die Analysewerte nicht besonders von den gestrigen.« Kris deutete auf die erste Tabelle, die der, die Cedric in den Müll geworfen hatte, zum Verwechseln ähnlich sah.
»Kein Arretin. Im ganzen Körper nicht. Dafür allerdings ein deutlich erhöhter Beta-Relacinwert.« Er deutete auf eine andere Tabelle.
»Es wird also noch exprimiert.« Cedric rieb sich die Schläfen. »Das heißt, die neue DNA wird tatsächlich nicht mehr abgestoßen. Na immerhin. Aber was nützt uns Arretin, wenn es ständig wieder zerstört wird?«
Kris hob leicht die Schultern. »Solange wir mit dem Blocker nicht fertig sind – nicht viel. Außer, dass wir im besten Fall kein synthetisches Arretin mehr
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