Die Blutgabe - Roman
einer repräsentativen Gruppe von Versuchspersonen ergeben haben, fehlt dieses Enzym bei progressiven Vampiren, was zu einer – einfach ausgedrückt – verhältnismäßig dünnen Konsistenz des Blutes führt. Gleichzeitig befindet sich im progressiven Blut ein antagonistisches Enzym, das eine Abart des uns bekannten Relacins zu sein scheint und das wir daher Beta-Relacin nennen.Statt die Regeneration der Zellen zu fördern, bindet und denaturiert das Beta-Relacin das Arretin, so dass auch künstlich zugeführtes Arretin nur minimale Wirkung zeigt. Zur Zeit arbeiten wir daran, eine stabile Basensequenz zu entwickeln, die einen Blocker für das Beta-Relacin codiert, um sie direkt ins Genom der Bluter implementieren zu können.«
Kris hielt inne und lächelte schief, während er den Gutachter und seine Gehilfen musterte, die sich wenig erfolgreich bemühten, Verständnis vorzutäuschen.
»Mit anderen Worten: Das Blutersyndrom wird durch das Fehlen zweier Blutbestandteile ausgelöst: Des Enzyms Arretin, das ein wichtiger Faktor bei der Kontrolle des Blutflusses ist, und des Enzyms Relacin, das unser Körper für eine schnelle Selbstheilung braucht. Das liegt daran, dass Relacin im progressiven Blut nur in einer abgewandelten Form vorhanden ist: dem Beta-Relacin. Dieser Form fehlt nicht nur die nötige Wirksamkeit, sondern sie besitzt außerdem einige höchst aggressive Eigenschaften. Die wichtigste davon ist die Zerstörung des Enzyms Arretin. Daher versuchen wir – mit wachsendem Erfolg, wenn ich das so sagen darf – eine biotechnische Lösung zu finden, die progressive Vampire zumindest wieder in die Lage versetzt, ihren Blutfluss zu kontrollieren.«
Mr. Hanson und seine Begleiter nickten – diesmal schon weit weniger verwirrt.
»Danke, Kris«, sagte Cedric und hoffte, dass man ihm seine zynische Belustigung über die Dummheit dieser Parlaments-Clowns nicht ansehen würde. Katherine zumindest hatte sie bemerkt, denn sie warf ihm einen tadelnden Blick zu. Aber die drei Herrschaften vom Gutachter-Team schienen noch viel zu sehr damit beschäftigt zu sein, das Gehörte zu verarbeiten.
»Wir wollen dich dann auch nicht weiter stören. Mr. Hanson möchte sicher noch die Versuchsobjekte und die Menschenunterkünfte sehen.«
Kris lächelte. »Ich freue mich, wenn ich helfen konnte.«
Cedric konnte sich ein spöttisches Heben der Augenbrauen nicht verkneifen. Kris brachte den Vertretern des World Parliament ähnlich viel Liebe entgegen wie er selbst, das wusste er – aber Cedric musste ihm neidlos zugestehen, dass der jüngere Vampir weitaus eloquenter damit umzugehen wusste. »Ach, und komm doch bitte später in mein Büro. Ich möchte gern noch unser weiteres Vorgehen mit dir besprechen«, fügte er hinzu. »Sagen wir, in zwei Stunden.«
Kris senkte den Kopf – und nur Cedric und Katherine wussten, dass er es tat, um ein Lachen zu verbergen. »Gern, Dr. Edwards.«
»Gut.« Cedric nickte ihm noch einmal zu. »Dann sehen wir uns später. Wenn die Herrschaften mir dann bitte noch einmal folgen wollen.«
Sie verließen das Labor und traten, als sie sich von der Schutzkleidung befreit hatten, wieder auf den Flur hinaus.
»Ihre Arbeit ist tatsächlich überaus spannend«, bemerkte Mr. Hanson, während sie den von fahlem Neonlicht beleuchteten Gang hinunter zum Fahrstuhl gingen. Er schien sich von der Ehrfurcht, die ihn in der Biotechnik befallen hatte, wieder einigermaßen erholt zu haben. »Und das alles in einem Gebäude, das sich ‘White Chapel’ nennt. Wenn ich mir die neugierige Frage erlauben darf – wie sind Sie überhaupt auf diesen Namen gekommen?«
Cedric warf ihm einen überraschten Blick zu. Die Frage des Gutachters klang so unbedarft – war es möglich, dass Mr. Hanson der Erste sein sollte, der Cedric nicht unterstellte,aus dem berüchtigten White Chapel zu stammen? Beinahe hätte Cedric gelacht. War es am Ende sogar möglich, dass Mr. Hanson nicht einmal von diesem sagenumwobenen Londoner Stadtteil wusste? Es reizte Cedric sehr, seine Lieblingsgeschichte zu erzählen: Von seinem früheren Leben als der Massenmörder Jack the Ripper, der sich einfach nicht ganz von seiner alten Heimat trennen konnte. Aber im Nacken spürte er deutlich Katherines mahnenden Blick – also blieb er schweren Herzens bei der Wahrheit.
»Tja.« Cedric drückte auf den Knopf, und die Fahrstuhltür öffnete sich mit einem feinen Läuten. »Um ehrlich zu sein, habe ich sie nicht selbst so genannt. Bevor die Station
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