Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Blutgraefin

Die Blutgraefin

Titel: Die Blutgraefin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
Vom Netzwerk:
stöhne das ganze Haus unter den Schmerzen
auf, die ihm die Flammen bereiteten. Andrej sah, dass sich die Wände rings um sie herum bewegten. Plötzlich war die Decke über ihnen
verschwunden und machte einem Himmel aus reiner Glut Platz, aus
dem brennende Trümmer und wirbelnde Funkenschauer auf sie herabregneten.
Andrej packte Stanik bei der Schulter und riss ihn im allerletzten
Augenblick zurück, als die halbe Decke zusammen mit der Treppe
herabstürzte. Wo gerade noch der Ausgang gewesen war, erhob sich
nun ein lodernder Scheiterhaufen, der die grausame Hitze weiter
nährte. Andrej stolperte zurück, riss Stanik mit sich und prallte dicht
neben der Tür zur Küche gegen die Wand. Obwohl sie wie alle Wände im Haus nur aus Holz, Lehm und einer dünnen Schicht Putz bestand, war sie glühend heiß.
Andrej stieß sich von der glühenden Wand ab, riss sich den Mantel
von den Schultern und warf ihn Stanik kurzerhand über den Kopf,
damit wenigstens Gesicht und Lungen notdürftig vor der sengenden
Hitze geschützt waren, doch der Stoff fing augenblicklich Feuer. Von
der Decke regneten immer mehr Funken und brennende Holzstücke
herab. Das unheimliche Stöhnen und Vibrieren setzte wieder ein und
kündigte den baldigen Zusammenbruch des restlichen Gebäudes an.
Andrej war klar, dass es nicht mehr lange dauern konnte. Sie mussten
raus.
Wäre er allein gewesen, hätte er trotz seiner Angst vor dem Feuer
versucht, die Barrikade aus brennendem Holz und glühenden Trümmern, die sich vor dem Ausgang türmte, zu überwinden. Neben einem gezielten Stich ins Herz oder einer Enthauptung war Feuer eine
der sichersten Methoden, einen Unsterblichen umzubringen. Trotzdem hätte er es riskiert. Aber Stanik war bei ihm. Angesichts der
ständig ansteigenden Hitze und des glühenden Trümmerregens, der
auf sie herunterprasselte, kam es ihm fast wie ein kleines Wunder
vor, dass der Junge sich überhaupt noch auf den Beinen halten konnte.
Andrej packte Stanik und stieß ihn vor sich her durch die Küchentür. In der Küche war es kaum weniger heiß als draußen in der Halle,
und obwohl das Feuer noch nicht auf den Raum übergegriffen hatte,
erfüllte auch dort beißender Qualm die Luft. Andrej hustete qualvoll,
während Stanik verzweifelt würgte. Der schmerzverzerrte Ausdruck
auf seinem Gesicht machte Andrej klar, dass der Junge mittlerweile
keine Luft mehr bekam. Er sah sich gehetzt nach rechts und links um
und entdeckte schließlich, wonach er suchte. Die hölzerne Klappe,
die zum Keller hinabführte, war geschlossen, und jemand hatte einen
schweren, eisernen Riegel vorgelegt. Andrej war mit zwei gewaltigen Sätzen dort, griff nach dem Riegel und schrie vor Schmerz und
Schrecken auf. Das Metall war heiß. Kurzerhand nahm er einen
schweren Holzscheit und zertrümmerte mit zwei beherzten Schlägen
die Klappe.
Stanik war ihm nachgekommen, lehnte zwei Schritte entfernt an einem Schrank und rang ebenso verzweifelt wie vergebens nach Luft.
Andrej packte ihn an den Schultern, drehte ihn grob herum und stieß
ihn so unsanft durch die Klappe und die schmale, ausgetretene Steintreppe hinunter, dass er gestürzt wäre, hätte Andrej ihn nicht festgehalten.
Das Tosen der Flammen hinter ihnen schien lauter zu werden, so
als brülle das Ungeheuer vor Wut auf, dass ihm seine Beute entkam.
Es verfolgte sie mit grellem gelben und rot flackerndem Licht, sodass
Andrej die gesamte Treppe und einen Teil des gewölbten Ganges, in
den sie mündete, überblicken konnte. Der Tunnel war so niedrig,
dass weder Stanik noch er aufrecht darin stehen konnten, und verlor
sich in gerader Richtung in vollkommener Dunkelheit. Auf dem Boden hatte sich Wasser zu ölig schimmernden Pfützen gesammelt. Die
Wände waren mit weißem und grünlichem Schimmel überzogen. Auf
der rechten Seite des Ganges gab es nur wenige Schritte entfernt eine
niedrige Tür.
Sie hatten gerade das Ende der Treppe erreicht, als der Feuerschein
nachließ und der Gang in vollkommener Schwärze versank. Andrej
war vollkommen blind, doch sein scharfes Gehör, das Bild, das er
sich eingeprägt hatte und die dumpfen Echos ihre eigenen Schritte
und Atemzüge reichten ihm zur Orientierung. Der Gang musste sich
bis weit unter den Hof erstrecken, vielleicht sogar bis hinüber zu
Blanches Turm. Selbst in ihrer Situation bereitete Andrej der Gedanke Unbehagen, noch einmal diesen unheimlichen Turm betreten zu
müssen.
Die Hitze war auch dort unten noch spürbar, aber

Weitere Kostenlose Bücher