Die Blutgraefin
und Andrej hat Recht - die Gräfin
würde niemals auch nur einer Fliege etwas zu Leide tun!«
Sowohl Stanik als auch sein Vater fuhren gleichzeitig herum, doch
statt etwas auf die Worte des Mädchens zu erwidern, zog Ulric nur
überrascht die Augenbrauen hoch, während Stanik erschrocken zusammenzuckte. »Deine Hände!«, keuchte er. »Was ist mit deinen
Händen passiert?«
Auch Andrej sah überrascht auf die Arme des blassen Mädchens.
Sie waren so dünn, dass er sie mit Daumen und Zeigefinger hätte
umfassen können. Sie trug dicke, von eingetrocknetem, braunem
Blut besudelte Verbände um beide Handgelenke. Er erinnerte sich
nicht, ob sie am Morgen auch schon da gewesen waren.
»Was hat die Hexe dir angetan?«, zischte Stanik.
Elenja sah ihn verwirrt an, ließ die Arme sinken und blickte bestürzt auf ihre eigenen Handgelenke hinab. Sie schien gar nicht fassen zu können, was sie da sah. »Ich… ich weiß nicht«, murmelte sie.
»Unsinn!«, fauchte Stanik. »Das war die Hexe!« Er ergriff Elenjas
rechten Arm und hielt ihn in die Höhe, damit jedermann in der Kirche den besudelten Verband sehen konnte. »Schaut es euch an!«, rief
er mit erhobener Stimme. »Das ist es, was eure Wohltäterin mit den
Mädchen macht, die ihr ihr anvertraut!«
Elenja wollte sich losreißen, doch Stanik packte sie umso fester. Ihr
Gesicht verzerrte sich vor Schmerz. Andrej war mit einem einzigen
Schritt bei ihm, schlug ihm mit der Faust auf das rechte Handgelenk
und stieß ihn mit der anderen Hand so grob zurück, dass Stanik rücklings gegen den Altar stolperte und um ein Haar gefallen wäre.
Hätte Andrej die Bewegung nicht vorausgeahnt, so wäre seine Reaktion vermutlich zu spät gekommen. So gelang es ihm im letzten
Moment zurückzuspringen, gleichzeitig das Schwert zu ziehen und
Ulrics Klinge zu parieren, die nach seinem Hals stieß. Gleichzeitig
zogen auch Staniks Brüder ihre Waffen und drangen auf Andrej ein.
Andrej tauchte unter der Klinge des einen weg und versetzte dem
anderen einen Fußtritt, der ihn aus dem Gleichgewicht brachte und
seinen Hieb ins Leere gehen ließ. Dann sprang er zurück, nahm mit
leicht gespreizten Beinen Aufstellung und ergriff sein Schwert mit
beiden Händen. Den Nächsten, der ihn anzugreifen versuchte, würde
er töten!
Da prallte Abu Duns Krummsäbel mit solcher Wucht gegen sein
Schwert, dass Andrej die Klinge aus den Händen gerissen wurde und
scheppernd davonflog. Er selbst taumelte mit rudernden Armen zwei
Schritte rückwärts, um nicht zu stürzen. Während er noch um sein
Gleichgewicht kämpfte, stieß ihm der Nubier die flache Hand vor die
Brust und warf ihn damit endgültig zu Boden.
Andrej war viel zu durcheinander, um an Gegenwehr auch nur zu
denken. Abu Dun stürzte sich auf ihn, rammte ihm sein Knie in den
Magen und presste ihm die Luft aus dem Leib. Seine rechte Hand
ballte sich drohend vor Andrejs Gesicht zur Faust.
»Das reicht jetzt!«, grollte er. »Steh auf, du verdammter Narr!«
Leiser, mit einem beschwörenden Blick in Andrejs Augen, fügte er
hinzu: »Was soll denn der Unsinn, du Dummkopf? So finden wir nie
heraus, was hier vorgeht.«
Andrej war noch immer vollkommen überrumpelt. Er starrte das
nachtschwarze Gesicht seines Freundes nur fassungslos an. Hätte
Abu Dun in diesem Moment sein Messer gezogen, um ihm die Kehle
durchzuschneiden, hätte er sich vermutlich nicht einmal gewehrt.
»Hört auf!«, rief Pater Lorenz. »Ich beschwöre Euch, haltet ein!
Vergießt kein Blut im Haus des Herrn!«
Abu Dun ließ von Andrej ab. Er schob den Säbel wieder in den
Gürtel und streckte seine Hand aus, um Andrej aufzuhelfen. Andrej
ignorierte die Geste, rappelte sich verwirrt hoch und sah sich nach
seinem Schwert um. Während er es aufhob, steckten auch Ulric und
seine Söhne ihre Waffen wieder ein. Ulric wirkte ebenso überrascht
wie Andrej - während Staniks Gesicht von purem Hass verzerrt war.
»Nein«, wimmerte Elenja. »Bitte hört auf! Es war nicht die Gräfin.
Ich weiß nicht, was passiert ist, aber sie hat mir nie etwas angetan!«
Niemand schenkte ihren Worten die geringste Beachtung.
Ganz langsam trat Andrej auf Abu Dun zu und starrte ihn an. »Was
soll das?«, zischte er. »Hast du den Verstand verloren?«
»Ganz im Gegenteil«, antwortete Abu Dun unwillig. »Ich zweifle
eher an deinem.«
»Wie es aussieht, habe ich wohl die richtige Wahl getroffen«, sagte
Ulric. Er warf Abu Dun einen raschen, anerkennenden Blick zu.
»Gut gemacht. Wenn
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