Die Blutgruft
die beiden Gespielinnen aus seinen kalten Augen an. Hätte sie eine Seele besessen, so hätte er tief in die hineinschauen können.
Beide Hände legte er unter ihr Kinn. Mit leiser und trotzdem deutlicher Stimme begann er zu sprechen. »Ihr werdet genau das tun, was ich euch jetzt sage. Ihr werdet nichts auf eigene Faust unternehmen. Habt ihr verstanden?«
Sie nickten ihm zu.
»Gut, dann hört zu!«
Er sprach von dem einen Boot, das in dem kleinen Hafen auf sie wartete. Sie erfuhren, dass sie damit aufs Wasser fahren sollten. »Aber nur auf das Wasser und in der Nähe bleiben. Ich weiß, dass unsere Feinde auf der Hut sind. Sie haben eine Spur gefunden, und sie werden kommen. Sie sind wahrscheinlich schon auf dem Weg. Ihr werdet in der Nähe bleiben. Der Nebel schützt nicht nur die Feinde, er schützt auch euch, und genau das ist unsere Chance. Wir werden sie beobachten können und schlagen dann aus sicherer Deckung zu. Freut euch auf ihr Blut.«
Der letzte Satz gefiel ihnen allen. Aber nur Gayle fing an zu kichern, weil es ihr besonders gut gefiel. Auch wenn sie selbst nicht daran beteiligt war.
»Habt ihr verstanden?«
»Wir wissen Bescheid!«, flüsterte Judy.
Astrid nickte nur.
Rusko war zufrieden. Er konnte sich auf seine Geschöpfe verlassen. Zwar waren sie trotz allem unberechenbar, wenn sie plötzlich Blut rochen, aber er hoffte, dass sie sich an seine Befehle erinnerten, wenn es denn so weit war.
Er streichelte sie.
Beide genossen es, als seine kalten Finger an ihrer Haut entlangfuhren. Sie empfanden durch die Berührung etwas, was ein Mensch nicht nachvollziehen konnte, im Prinzip war es schon das Gleiche, denn sie stöhnten wohlig auf.
»Genau jetzt!« Abrupt ließ der Meister seinen Arm sinken. »Geht. Ihr wisst, wo das Boot liegt.«
Sie brauchten nichts zu sagen. Beide erfreuten sich daran, dass gerade sie ausgesucht worden waren, um nach den Feinden zu spähen. Sie würden sich entsprechend verhalten, das stand für sie fest. Ihr Meister konnte sich voll und ganz auf sie verlassen.
Und so entschwanden sie aus der düsteren Höhle hinaus in die andere Welt, in der ein grauer Dunst wie festgeklebt über der Wasserfläche lag und sich nicht vertreiben ließ. Selbst der Wind war eingeschlafen, sodass er keine Lücke in die Masse riss.
Nebel und Dunkelheit. Dazu der Mond. Das war ihre Zeit, auch wenn der Erdtrabant nicht so klar und deutlich zu sehen war.
Vampire sind Geschöpfe der Nacht, die sich im Dunkeln bewegen können. Rusko und seine beiden zurückgebliebenen Gespielinnen hätten kein Licht gebraucht. Trotzdem wollte er eine andere Atmosphäre schaffen. Auch für sie konnte das Feuer wichtig sein, wenn es denn Segen brachte und sie nicht verbrannte.
In der Höhle gab es nichts, was für einen Menschen wichtig gewesen wäre. Alles war auf ein Minimum reduziert, doch genau das reichte dem Blutsauger aus.
Er ging zwischen den beiden Zurückgebliebenen hindurch und dann weiter. Sie drehten sich und schauten ihm nach. Im Hintergrund des Verstecks bückte er sich. Dort hatten seine Gespielinnen Holz gesammelt und es aufgeschichtet. Es war eine mühselige Arbeit gewesen. Sie hatten es von einer anderen Insel klammheimlich herschaffen müssen. Aber es war trocken genug, um Feuer zu machen.
Sie hatten auch Zündhölzer mitgebracht, und eines davon riss Rusko jetzt an. Für einen Moment tanzte die Flamme unterhalb seines Gesichts und schien sich in ihrem Schatten auflösen zu wollen, dann brannte sie ruhig weiter, und so war der Vampir wieder normal zu erkennen.
Er bückte sich. Papier knisterte. Es waren die letzten Reste, die er anzündete. Sie schnappten gierig nach dem Feuer. In der Umgebung wurde es heller. Erster Rauch stieg in die Höhe, der keinem von ihnen etwas ausmachte.
Dann fing das dünne Holz Feuer. Und plötzlich gab es die Lichtquelle, die Rusko gewollt hatte.
Es war ihr Licht.
Die Mischung aus Dunkel und Hell. Der Tanz der Flammen, die sich nur allmählich beruhigten und die Gestalt des Blutsaugers nicht mehr so zerrissen aussehen ließen.
Er drehte sich gemächlich um. Rauch trieb an ihm vorbei auf die beiden Frauen zu, die auf ihn warteten. Niemand von ihnen hustete. Es machte ihnen nichts aus, den Rauch einzusaugen. Sie brauchten nicht zu atmen, um überleben zu können.
Es war seine Zeit. Rusko stand da wie auf einer Bühne. Er wollte die Zeit genießen, die ihm blieb. Ihn überkam ein wahnsinniger Drang. Er brauchte sie jetzt – beide. Ihr Blut und ihr Fleisch
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