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Die Blutige Sonne - 14

Die Blutige Sonne - 14

Titel: Die Blutige Sonne - 14 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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verschwamm der Kelch vor seinen Augen und sah ganz anders aus. Es war nicht mehr einfach ein Stück Glas; er bemerkte eigenartige Spannungen und Bewegungen, wurde sich eines seltsamen Klopfens im Kristall bewußt, einer Art Anspannung des Gefühls, bis es aus dem Gleichgewicht kam.
    Das Glas des Kelches lag in Kristallen flach vor ihm… Er nahm dieses Bild in sich auf; plötzlich hörte er ein scharfes Klirren; das Bewußtsein dieses neuen Bildes verschwamm und verflüchtigte sich. Ungläubig starrte er auf den Kelch, der vor ihm auf den Kissen lag; er war in einer glatten, durch den Mittelpunkt laufenden Linie zerbrochen. Ein paar Tropfen des hellen kirian versickerten in den Kissen. Ungläubig kniff er die Augen zusammen.
    Kennard nickte zufrieden. „Nicht übel für den ersten Versuch“, stellte er fest. „Aber, bei Zandru, deine Sperre ist sehr stark. Kopfschmerzen?“
    Kerwin wollte schon den Kopf schütteln, aber ihm wurde sofort klar, daß er doch welche hatte. Er griff sich vorsichtig an die Schläfen. Elories graue Augen kreuzten kühl und von weitem seinen Blick, „Seelische Abwehr unerträglicher Situationen“, stellte sie fest. „Typische psychosomatische Reaktion – du sagst zu dir selbst, wenn ich leide, dann hören sie auf, mich zu quälen und lassen mich in Ruhe. Wir mußten aufhören, um dich nicht ernstlich zu schädigen. Schmerz ist die beste Abwehr telepathischer Einflüsse. Wenn zum Beispiel jemand versucht, sich in deine Gedanken einzuschalten, dann ist es am besten, wenn du dir auf die Lippen beißt, bis sie bluten – wenn du keine andere Abwehrmöglichkeit hast. Nur ganz wenige Telepathen können sich dem unterziehen. Ich könnte dir eine technische Erklärung geben über sympathische Schwingungen und Nervenzellen, aber warum sollen wir dich damit belästigen?“ Sie ging zum Getränkeschrank, schüttelte drei grüne Tabletten aus einem Röhrchen und ließ sie vorsichtig in seine Hand fallen, ohne ihn zu berühren. „Nimm sie; in einer Stunde ist alles vorbei.“
    Kerwin schluckte die Pillen gehorsam. Immer noch starrte er ungläubig das Glas an, das einen deutlichen, gerade verlaufenden Bruch zeigte. „Habe ich das wirklich getan?“ fragte er.
    Rannirl nickte. „Schließlich war es keiner von uns“, bestätigte er trocken, und du kannst ja bestimmt beurteilen, mit welch hoher Wahrscheinlichkeit es von selbst auseinanderspringt.“
    Kerwin nahm die beiden Hälften in die Hand. Er versuchte, eine Erklärung für diesen Vorgang zu formulieren, die wenigstens die irdische Hälfte seines Wesens befriedigt hätte, spielte mit Phrasen wie unterschwellige Wahrnehmung atomarer Konstruktionen – für einen Augenblick hatte er gesehen, wie das ganze Ding zusammenhing, das System lebender Spannungen und Kräfte erkannt. Während der Schulzeit hatte er irgendwo gelesen, daß die Atome lediglich herumwirbelnde Zusammensetzungen von Elektronen seien, daß ein kompakter Gegenstand aus leeren Räumen bestand, die von bestimmten Kräften in einem statischen Zustand gehalten wurden. Von diesem Gedanken war er halb betäubt.
    Kerwin nahm das zerbrochene Glas, hielt die Bruchkanten aneinander und starrte sie an. Wieder erlebte er ohne Willensanstrengung die Wahrnehmung, die richtige Erkenntnis, als sehe er neben oder unter die Oberfläche, das Bewußtsein…
    Das Glas lag ganz in seiner Hand, die Bruchkanten paßten genau aufeinander, und nur ein haarfeiner Riß erinnerte an das, was geschehen war.
    Kennard lächelte erleichtert. „Nun bleibt nur noch ein Test.“
    Wieder spürte er, wie Taniquels Finger sich in die seinen verschränkten; wie einen Schmerz fühlte er ihre Angst, ihre Bestürzung. „Ist das denn wirklich nötig, Kennard?“ flehte sie. „Kannst du denn nicht versuchen, ihn in den äußeren Kreis zu versetzen, um zu sehen, ob seine Fähigkeiten nicht auf diese Art aufgeschlossen werden können?“
    Elorie sah ihn mitleidig an. „Tani, das gelingt fast nie.“ Kerwin hatte Angst. Die anderen Tests hatte er so gut bestanden, daß er fast stolz darauf war.
    „Was ist denn? Was kommt jetzt, Tani?“
    „Kennard meint folgendes“, antwortete Elorie sanft. „Wir müssen herausbekommen, ob und wie du in den Kreis des Turmes eingebaut werden kannst, in das Schaltgefüge, den Zusammenschluß der Kräfte. Wir wissen, daß du ein hochbegabter Empath bist, und du hast auch den psychokinetischen Test bestanden. Aber jetzt kommt der große Test – wir müssen sehen, wie du in unsere Kette

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