Die Blutige Sonne - 14
versagen – , dann ist es nicht allein dein Fehler. Machst du dir denn nicht klar…“ Ihre Stimme versagte; sie klammerte sich an ihn, hielt ihn fest umschlungen. Überwältigt von einer neuen, gewaltigen Empfindung preßte er das Mädchen an sich. Ihre Lippen begegneten sich, und Kerwin wußte, daß er das seit seiner ersten Begegnung mit ihr ersehnt hatte, seit er durch den Regen der Darkovaner Nacht gelaufen war. Die Frau seines eigenen Volkes erkannte ihn als einen der Ihren an.
„Jeff, weißt du denn nicht, daß es unser aller Versagen ist – wenn wir versagen? Dich kann man nicht dafür tadeln. Aber wir werden nicht versagen, Jeff, nein, du wirst nicht versagen!“
Ihre Arme waren seine Zuflucht. Seine Liebe, sein Verlangen waren unendlich größer als alles, was er je gekannt hatte.
Das war keine leichte Eroberung, kein Mädchen aus den Raumhafenbars, das ihm einen Augenblick der Befriedigung verschaffte und sein Herz dabei hungrig ließ. Es war eine Begegnung, die keinen schlechten Nachgeschmack zurückließ, den schauerlichen Alpdruck der Einsamkeit, das Bewußtsein der Leere der Frau und seiner eigenen Enttäuschung.
Taniquel, Taniquel, enger verbunden mit ihr als jeder Liebende, aufs engste verbunden seit dem ersten Augenblick des Kontaktes mit ihr. Wie war es möglich, daß er das nicht gewußt hatte? Er schloß die Augen, um noch inniger das zu fühlen, was nicht nur eine Berührung von Lippen und Armen war…
„Ich habe deine Einsamkeit gespürt“, flüsterte Taniquel, „und deinen Hunger. Aber ich habe mich gefürchtet, Anteil daran zu haben – bis jetzt. Jeff, Jeff, ich habe dein Leid auf mich genommen, laß mich nun auch das mit dir teilen.“
„Aber ich fürchte mich nun nicht mehr“, antwortete Jeff heiser. „Ich habe mich nur gefürchtet, weil ich allein war.“
„Und jetzt“, sprach sie seine Gedanken aus, „wirst du nie mehr allein sein.“ Ihre Hingabe war so überwältigend, daß ihm schien, er habe in seinem ganzen Leben noch keine Frau gekannt.
[9]
Wenn Jeff Kerwin sich vorgestellt hatte, daß die Forschung nach natürlichen Hilfsquellen auf dem riesigen Planeten die einfachste Sache telepathischer Kontaktarbeit sei, so mußte er sehr bald erkennen, daß er sich getäuscht hatte. Die echte Kontaktarbeit, erklärte Kennard, würde erst später kommen. Die Zwischenzeit mußte für allerlei Vorbereitungen genutzt werden, die nur von den Com’yn selbst getroffen werden konnten. Es war fast unmöglich, einen konzentrierten Kontakt mit irgendeinem angenommenen Objekt oder einer Substanz herzustellen, bevor dieses Objekt oder diese Substanz nicht in Kontakte mit den Telepathen gebracht worden war, die jene Materie benutzen wollten. Jeff hatte geglaubt, daß das Aufspüren von Material und Rohstoffen Sache von Außenseitern, vielleicht von Medien, sei; statt dessen erhielt er einige kleinere Aufgaben schon im Stadium der Vorbereitungen zugewiesen, und er hatte angenommen, er als der am wenigsten geschulte Telepath würde davon befreit werden. Aus seiner Arbeit im terranischen Verbindungsbüro hatte er einige metallurgische Kenntnisse; Corus half ihm, Muster verschiedener Metalle zusammenzutragen. Sie schmolzen sie in einem kleinen Labor ein, das ihn an eine Alchimistenküche erinnerte, und mit primitiven, aber ungewöhnlich wirksamen Techniken gewannen sie diese Metalle in chemisch reiner Form. Er überlegte, was in aller Welt die Com’yn mit diesen winzigen Mustern von Eisen, Zinn, Kupfer, Zink, Blei und Antimon anzufangen gedachten.
Die Arbeit mit Corus, Elorie und Rannirl steigerte seine Empfindungsfähigkeit. Er hatte keine Mühe mehr, den Zustand irgendeiner kristallinischen Struktur aufrechtzuerhalten, und er begann auch, die Beschaffenheit anderer Substanzen zu erfühlen. Eines Tages beobachtete er den Vorgang der Oxydation an einer langsam rostenden Türangel, und in einem ersten Bemühen, ohne fremde Hilfe zu arbeiten, zog er seinen Matrix heraus und unterbrach unter Aufbietung seiner ganzen Konzentrationskraft den Vorgang des Verrostens.
Immer noch litt er unter quälenden Kopfschmerzen, sobald er an den Schirmen arbeitete. Immer noch war es eine riesige, zermürbende Anstrengung. Der Aufwand an psychischer Energie erschöpfte ihn und ließ ihn ausgepumpt zurück. Sein Körper verlangte ungeheure Mengen an Nahrung und Schlaf. Nun verstand er auch Elories übermäßigen Appetit, der ihm zuerst als Gier nach Süßigkeiten erschienen war. Manchmal hatte er darüber
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