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Die blutige Sonne

Die blutige Sonne

Titel: Die blutige Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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die sie in der Matrix-Kammer an sich gehabt hatte. Sie hatte Angst! Er hätte ihr gern gesagt, es sei ihm unwichtig, sie solle sie weglegen, sie solle das verfluchte Ding nicht anfassen, denn sie sei ihm zu kostbar, als daß sie ein Risiko eingehen dürfe. Doch er sah ihre Augen.
    Elorie liebte ihn. Sie hatte ihre ganze Welt für ihn aufgegeben, alles, was sie war und was sie hätte sein können. Auch jetzt noch, das war Kerwin klar, hatte er nichts als einen flüchtigen Eindruck, nichts als die Kenntnisse eines Außenseiters darüber, was es bedeutete, Bewahrerin zu sein. Wenn sie dies Experiment nötig hatte, mußte er es sie durchführen lassen. Selbst wenn es sie umbrachte, durfte er sie nicht daran hindern.
    »Aber versprich mir, Elorie …« – er legte ihr die Hände auf die Schultern – »… geh kein Risiko ein. Wenn es sich nicht richtig anfühlt, versuche es nicht.«
    Er merkte, daß sie ihn kaum hörte. Ihre schlanken Finger fuhren die Umrisse der Matrix nach, ihr Gesicht war geistesabwesend. Sie sagte – nicht zu ihm -: »Die Form der Luft ist hier anders, wir sind zwischen den Bergen; ich muß vorsichtig sein, daß ich nicht in seine Atmung eingreife.« Sie bewegte den Kopf, eine kleine, befehlsgewohnte Geste, und zart wie eine Liebkosung spürte er den Rapport mit ihr.
    Ich weiß nicht, wie lange ich den Glanz halten kann, wenn Terraner in der Nähe sind, aber ich werde mein Bestes tun. Jetzt. Jeff, sieh in den Spiegel .
    Er erhob sich und sah in den Spiegel. Er konnte Elorie in ihrem leichten grauen Kleid sehr gut sehen. Der Kopf mit dem leuchtenden Haar beugte sich über die Matrix in ihrer Hand. Aber er konnte sich selbst nicht sehen. Er blickte an sich hinunter. Er sah seinen Körper genau, aber der Spiegel warf sein Bild nicht zurück.
    »Aber … aber ich kann mich sehen …«
    »O ja, und wenn dich jemand anrennt, wird er genau wissen, daß du da bist«, antwortete sie mit leichtem Lächeln. »Du bist kein Geist geworden, mein geliebter Barbar, ich habe nur für eine kleine Weile das Aussehen der Luft um dich verändert. Ich glaube, es wird lange genug andauern, daß du ungesehen in das Waisenhaus gelangen kannst.«
    Ihr Gesicht zeigte den Triumph eines vergnügten Kindes. Jeff beugte sich nieder, um sie zu küssen, und sah im Spiegel ein seltsames Bild. Scheinbar wurde Elorie von leerer Luft hochgehoben und getragen. Er lächelte. Es war keine schwierige Matrix-Operation; wahrscheinlich hätte er sie selbst durchführen können. Aber sie hatte ihr bewiesen …
    »Daß ich nicht blind und taub dafür geworden bin«, sagte sie, seine Gedanken aufnehmend, und ihre Stimme klang angespannt, obwohl sie immer noch das kindliche Lächeln zeigte. »Geh, Liebling, ich bin mir nicht sicher, wie lange ich durchhalte, und du solltest keine Zeit verschwenden.«
    Er ließ sie in dem terranischen Hotelzimmer zurück. Still und ungesehen durchschritt er die Gänge. In der Eingangshalle gingen Leute an ihm vorbei, ohne ihn zu bemerken. Er hatte ein seltsames, verrücktes Gefühl von Macht. Kein Wunder, daß die Comyn so gut wie unbesiegbar waren …
    Aber um welchen Preis? Mädchen wie Elorie mußten ihr Leben opfern …
     
    Das Raumfahrer-Waisenhaus sah genau so aus, wie es vor einigen wenigen Monaten auch ausgesehen hatte. Ein paar Jungen beschäftigten sich im Garten. Sie knieten um ein Blumenbeet, und ein größerer Junge mit einem Abzeichen auf dem Ärmel beaufsichtigte sie. Kerwin, stumm wie ein Geist, zögerte, bevor er die weißen Stufen hinaufstieg. Was sollte er als erstes tun? Unsichtbar ins Büro gehen, die Akten und Unterlagen überprüfen? Schnell verwarf er diese Idee. Er mochte unsichtbar sein, aber wenn er anfing, in Ordnern zu blättern oder Knöpfe zu drücken, würden die Leute im Büro etwas sehen, und wenn es nur Ordner und Knöpfe waren, die sich von selbst bewegten. Früher oder später würden sie der Sache auf den Grund gehen.
    Und früher oder später würde ihn irgendwer anstoßen.
    Er blieb stehen und dachte nach. Im Schlafsaal des dritten Stockwerks, wo er damals mit fünf anderen Jungen schlief, hatte er seine Anfangsbuchstaben in einen Fensterrahmen geschnitzt. Der Rahmen mochte repariert oder ersetzt worden sein. Aber wenn das nicht der Fall war und er die Buchstaben finden konnte, bewies das etwas zu seiner eigenen Befriedigung. Wenigstens konnte er dann den nagenden Verdacht abschütteln, daß er niemals dort gewesen war, daß er sich alles eingebildet hatte, daß alle

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