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Die blutige Sonne

Die blutige Sonne

Titel: Die blutige Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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grauhaariger Mann stand dort und sah ihn an. Also hatte sich Elories Illusion abgenutzt. Er war gesehen, gehört und – entdeckt worden.

Kapitel 15: Durch die Barriere
     
    Die Augen des Mannes, intelligent und freundlich, ruhten auf Kerwin ohne Zorn. »Wir lassen niemals Besucher in den Schlafsälen zu«, sagte er. »Wenn Sie ein bestimmtes Kind sehen wollten, hätten Sie es im Spielzimmer begrüßen sollen.« Plötzlich kniff er die Augen zusammen. »Aber ich kenne Ihr Gesicht. Ihr Name ist Jeff, nicht wahr? Kerradine, Kermit …«
    »Kerwin«, sagte er, und der Mann nickte.
    »Ja, natürlich; wir nannten Sie Tallo . Was tun Sie hier, junger Kerwin?«
    Kerwin faßte den schnellen Entschluß, die Wahrheit zu sagen. »Ich habe nach meinen hier eingeschnitzten Initialen gesucht.«
    »Und warum? Aus Sentimentalität? Der alten Zeiten wegen?«
    »Ganz und gar nicht. Vor ein paar Monaten kam ich hierher«, berichtete Kerwin, »und da sagte man mir im Büro, es gebe keinen Beweis, daß ich je hier gewesen sei, keine Unterlagen über meine Abstammung. Und wenn ich behauptete, ich erinnere mich, hier aufgewachsen zu sein, so lüge ich. Ich mache der Hausmutter keinen Vorwurf, denn offenbar war sie damals noch nicht da.
    Doch als sich erwies, daß der Computer meine Fingerabdrücke nicht gespeichert hatte … also, da begann ich an meinem Verstand zu zweifeln.« Er wies auf die eingeschnitzten Buchstaben. »Aber ich bin bei Verstand. Ich habe diese Initialen hier eingeschnitzt, als ich ein Kind war.«
    »Wie kann denn so etwas geschehen?« fragte der Mann. »Oh, ich vergaß – wahrscheinlich erinnern Sie sich nicht mehr an meinen Namen. Ich bin Jon Harley. Ich habe bei den größeren Jungen Mathematik unterrichtet. Übrigens tue ich das auch heute noch.«
    Jeff ergriff die Hand, die der Mann ihm entgegenstreckte. »Ich erinnere mich an Sie, Sir. Sie beendeten einmal eine Schlägerei, in die ich geraten war, und verbanden danach mein Kinn, nicht wahr?«
    Harley lachte vor sich hin. »Ja, das weiß ich noch. Sie waren ein richtiger junger Rowdy. Ich erinnere mich daran, wie Ihr Vater Sie zu uns brachte. Sie waren ungefähr fünf, glaube ich.«
    Hatte sein Vater so lange gelebt? Dann sollte ich mich an ihn erinnern können, dachte Kerwin, aber so sehr er sich anstrengte, da waren nur diese leere Stelle in seinem Gehirn und bruchstückhafte Erinnerungen an Träume.
    »Kannten Sie meinen Vater, Sir?«
    Bedauernd meinte der Mann: »Ich habe ihn nur das eine Mal gesehen, müssen Sie wissen, als er Sie herbrachte. Aber um Gottes willen, junger Kerwin, kommen Sie doch nach unten und trinken Sie ein Glas oder so etwas. Computer haben manchmal Störungen, nehme ich an. Vielleicht sollten wir die Ordner mit den schriftlichen Unterlagen und die Klassenlisten überprüfen.«
    Kerwin dachte, daß er damals hätte versuchen sollen, jemanden zu finden, der sich tatsächlich an ihn erinnerte . Wie Mr. Harley. »Ist noch jemand hier, der sich an mich erinnern könnte?«
    Harley dachte darüber nach. »Ich glaube nicht. Es ist lange her, und es wird dauernd gewechselt. Vielleicht einige der Mädchen, aber ich glaube, ich bin der einzige Lehrer, der Sie noch gekannt hat. Die meisten Pflegerinnen und Lehrer sind jung. Wir achten darauf, daß sie jung sind. Kinder brauchen junge Leute um sich. Ich mache weiter und weiter, der alte Knabe, der ich bin, weil es schwer ist, gute Lehrer von Terra zu bekommen, und sie möchten jemanden, der die Sprache ohne Akzent spricht.« Bedauernd zuckte er die Schultern. »Doch nun kommen Sie hinunter in mein Büro, junger Jeff. Erzählen Sie mir, was Sie jetzt tun. Ich erinnere mich, daß Sie nach Terra geschickt wurden. Wie kommt es, daß Sie nach Darkover zurückgekehrt sind?«
    In dem strengen Büro des alten Mannes, durch dessen offenes Fenster der Lärm draußen spielender Kinder hereindrang, nahm Jeff einen Drink an, den er nicht wollte, und drängte die Fragen zurück, auf die der alte Harley die Antwort doch nicht wissen würde.
    »Sie sagen, Sie erinnern sich, daß mein Vater mich herbrachte. Meine Mutter … war sie bei ihm?«
    Harley schüttelte den Kopf. »Er sagte nichts davon, daß er eine Frau habe«, antwortete er mit beinahe altjüngferlicher Verlegenheit.
    Aber, dachte Kerwin, er hatte seinen Sohn anerkannt, und das war nach den Gesetzen des Terranischen Imperiums nicht leicht. »Wie sah mein Vater aus?«
    »Wie gesagt, ich habe ihn nur das eine Mal gesehen, und man konnte schlecht sagen, wie

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