Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die blutige Sonne

Die blutige Sonne

Titel: Die blutige Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
Vom Netzwerk:
er normalerweise aussah. Seine Nase war gebrochen, und er war in irgendeinen Kampf geraten. Zu der Zeit gab es eine Menge Aufruhr in Thendara, irgendwelche politischen Unruhen. Die Einzelheiten habe ich nie gewußt. Er trug darkovanische Kleidung, aber er hatte seine terranischen Papiere dabei. Wir stellten Ihnen Fragen nach Ihrer Mutter, aber Sie konnten nicht sprechen.«
    »Mit fünf Jahren? «
    »Sie haben noch etwa ein weiteres Jahr lang nicht gesprochen«, sagte Harley offen heraus. »Um Ihnen die Wahrheit zu gestehen, wir dachten, Sie seien schwachsinnig. Das ist einer der Gründe, warum ich mich so gut an Sie erinnere. Wir alle verbrachten nämlich viel Zeit mit Versuchen, Sie sprechen zu lehren. Wir ließen einen Sprachtherapeuten vom HQ in Thendara kommen, der mit Ihnen arbeitete. Sie sprachen kein Wort, weder Terranisch noch Darkovanisch.«
    Voller Verwirrung hörte Kerwin dem alten Mann zu, der fortfuhr:
    »Kerwin – ich meine Ihren Vater – erledigte alle Formalitäten für Ihre Aufnahme in jener Nacht. Dann ging er, und wir sahen ihn nie wieder. Wir waren ziemlich neugierig, weil Sie ihm überhaupt nicht ähnlich sahen. Und dann hatten Sie rotes Haar, und in der gleichen Woche hatten wir schon einen rothaarigen kleinen Jungen aufgenommen, ungefähr ein Jahr jünger als Sie.«
    »War sein Name … Auster?« fragte Kerwin schnell.
    Harley runzelte die Stirn. »Ich weiß es nicht. Er war in der Abteilung der kleineren Kinder. Doch ich erinnere mich, daß er einen darkovanischen Namen trug. Er war nur rund ein Jahr lang hier, und auch das ist sehr merkwürdig. Er wurde entführt, und zur gleichen Zeit wurden alle Unterlagen über ihn gestohlen … Nun, ich rede zuviel. Ich bin ein alter Mann, und das hat nichts mit Ihnen zu tun. Warum erkundigen Sie sich nach ihm?«
    »Weil«, antwortete Kerwin bedächtig, »ich ihn vielleicht kenne.«
    »Es gibt keine Unterlagen über ihn. Wie gesagt, sie wurden gestohlen. Aber wir haben einen Bericht über die Entführung. Soll ich ihn nachschlagen?« bot Harley an.
    »Nein, machen Sie sich keine Mühe.« Auster hatte jetzt nichts mehr mit ihm zu tun. Wie die merkwürdige Geschichte auch lauten mochte – und sowohl Kennard als auch Harley hatten sie seltsam genannt –, er würde sie nie erfahren. Es war sowieso unwahrscheinlich, daß der Junge damals als Auster Ridenow geführt worden war. Vielleicht war auch Auster der Sohn zweier Comyn -Verräter, die mit der abtrünnigen Cleindori und ihrem terranischen Liebhaber geflohen waren. Spielte das eine Rolle? Auster war unter den Comyn aufgewachsen, er hatte alle ihre Talente geerbt, und zur gegebenen Zeit war er nach Arilinn gegangen. Und er, Kerwin, auf Terra erzogen, war nach Arilinn gekommen und hatte sie verraten …
    Doch daran wollte er jetzt nicht denken. Er dankte Harley, lehnte ein weiteres Glas ab und stimmte zu, sich den neuen Spielplatz und die neuen Schlafsäle zeigen zu lassen. Endlich verabschiedete er sich, angefüllt mit neuen Fragen, die die alten ersetzt hatten.
    Wo und wie war Cleindori gestorben?
    Wie und warum hatte der ältere Jeff Kerwin – mit gebrochener Nase, verletzt und zerrauft nach einem schrecklichen Kampf – seinen und ihren Sohn in das Raumfahrer-Waisenhaus gebracht?
    Und wohin war er danach verschwunden, und wo und wie war er gestorben? Denn er mußte gestorben sein, weil er sonst bestimmt, ganz bestimmt seinen Sohn wieder abgeholt hätte.
    Und warum konnte Jeff Kerwins Sohn im Alter von fünf Jahren kein Wort in der Sprache seines Vaters oder seiner Mutter sprechen?
    Und warum hatte der erwachsene Jeff Kerwin keine Erinnerung an seine Mutter oder seinen Vater, warum hatte er überhaupt keine Erinnerungen außer denen an ein paar undeutliche Träume von Mauern, Bogengängen, Türen, von einem Mann in einem Mantel, der stolz durch eine Burg schritt, von einer Frau, die sich über eine Matrix beugte und sie mit einer Geste hochhob, die übrigblieb, wenn alles übrige verschwamm … der Schrei eines Kindes …
    Erschauernd verbannte er dies Bruchstück einer Erinnerung. Einen Teil von dem, was er wissen wollte, hatte er herausgefunden, und Elorie wartete darauf, daß er zurückkehrte und ihr berichtete.
    Als er in das Hotelzimmer kam, schlief sie. Sie hatte sich erschöpft auf ihr Bett geworfen. Graue Flecken lagen unter den langen Wimpern ihrer geschlossenen Augen. Aber als er eintrat, setzte sie sich auf und hob ihm ihr Gesicht zum Kuß entgegen.
    »Jeff, es tut mir leid, ich habe die

Weitere Kostenlose Bücher