Die Blutlinie
Wagen steht da, aber ich kann sie nicht sehen.«
»Hast du eine Waffe im Haus? Eine Pistole?«
»Ja. Oben, im Schrank.«
»Hol sie, schließ dich im Badezimmer ein. Ich hole Alan. Wir brauchen vielleicht fünfzehn Minuten bis zu dir.«
»Ich habe Angst, Smoky.«
Ich schließe sekundenlang die Augen, während ich weiterrenne. »Ruf die Polizei, hol deine Pistole. Wir sind so schnell wie möglich bei dir, Elaina.«
Ich lege auf, hasse mich selbst, weil ich es tue. Momente später platze ich durch die Tür in unser Büro. Der Ausdruck auf meinem Gesicht lässt jeden aufmerken.
»Alan, Elaina hat Besuch!« Ich deute auf Leo und James. »Ihr zwei bleibt hier. James, du übernimmst die Koordination mit dem LAPD wegen des Verdächtigen, den sie für uns in Gewahrsam genommen haben. Callie und Alan, ihr kommt mit mir. Los, Beeilung!«
Alan ist bereits in Bewegung. Sein Gesicht ist voller Fragen, seine Augen voller Angst. Seine Stimme klingt fest, selbst während wir die Treppe hinunterstürzen in Richtung Parkplatz. »Wie viele?«, fragt er.
»Drei. Sie schleichen um euer Haus. Ich hab Elaina gesagt, sie soll die Polizei rufen, die Pistole holen und sich im Badezimmer einschließen.«
»Wo zur Hölle sind die beiden Agents, die Bonnie bewachen sollen?«
»Keine Ahnung.«
Wir rennen durch die Lobby, am Empfang vorbei, bersten durch die Eingangstür und jagen die Stufen zur Straße hinunter. Elaina und Bonnie, Elaina und Bonnie, das Mantra kreist in meinen Gedanken, wieder und immer wieder. Auf einer unterbewussten Ebene registriere ich, dass ich mehr Angst spüren sollte, doch alles ist nur Vorwärtsbewegung. Ich habe nicht genügend Zeit, um gründlicher nachzudenken oder mir über meine Gefühle klar zu werden. Callie hat kein Wort gesagt. Sie folgt uns, ohne Fragen zu stellen.
Und dann passiert es.
»Stirb, Fotze!«
Wir sind auf dem Parkplatz, und der junge Mann, der mir diese Worte entgegenschreit, stürzt auf mich zu, ein Messer in der erhobenen Hand. Sein Gesicht ist verzerrt, wahnsinnig. Seine Augen sind hungrig. Die Zeit verlangsamt sich fast bis zum Stillstand. Zwei Meter, denke ich analytisch. Er rennt, hat das Messer zum Stoß erhoben, das heißt, er ist in weniger als einer halben Sekunde über mir …
Ich habe ihm eine Kugel durch den Schädel gejagt, bevor ich den Gedanken richtig zu Ende gedacht habe. Die Geschwindigkeit, mit der ich meine Waffe gezogen und abgedrückt habe, ist einfach zu groß für ein bewusstes Überlegen. Es ist instinktiv, entschlossen, schnell wie ein Blitzschlag.
Sein Schädel explodiert, und die Zeit setzt sich wieder in Bewegung, verläuft in normaler Geschwindigkeit. Ich springe zur Seite, als er nach vorn kippt und mit einem dumpfen Schlag so heftig auf das Pflaster knallt, dass Hirnmasse umherspritzt und das Messer klappernd davonfliegt.
»Verdammte Scheiße!«, brüllt Alan.
Ich bemerke, dass weder er noch Callie ihre Waffen gezogen haben. Ich mache es ihnen nicht zum Vorwurf. Wir haben eine ganz spezielle Beziehung, mein schwarzer stählerner Freund und ich. Mein Verstand arbeitet im gleichen irrsinnigen Tempo weiter. »Callie, du wirst fahren. Bewegung, Bewegung!«
Ich sehe Tommy, der auf uns zugerannt kommt. »Alles in Ordnung!«, rufe ich ihm zu. »Aber Alans Frau ist in Gefahr. Es sind Unbekannte auf dem Grundstück!«
Tommy unterbricht sein Laufen nicht, nickt nicht, macht überhaupt nichts außer kehrt, um zu seinem Wagen zurückzurennen. Das ist Secret Service Training, denke ich. Entschlossenes, augenblickliches, entschiedenes Handeln.
Wir erreichen Callies Wagen und springen hinein. Sie hat den Gang eingelegt und jagt keine zwei Sekunden später mit quietschenden Reifen los.
»Wer zur Hölle war das?«, fragt Alan.
Callie antwortet für mich. »Blutsbruder von Ronnie Barnes, Zuckerschnäuzchen«, murmelt sie mit wildem Blick, während der Wagen vom Parkplatz jagt.
Alan antwortet nicht. Ich sehe, wie Begreifen in seinem Gesicht dämmert, gefolgt von Angst. »Oh nein …«, flüstert er.
Ich sage nichts. Es ist nicht nötig. In Alans Schädel kreist das gleiche Mantra wie in meinem. Elaina und Bonnie. Ich bin sicher, dass er im Stillen betet, genau wie ich.
KAPITEL 45
Alan ruft Elaina an. »Baby? Wir sind auf dem Weg. Hast du die Polizei angerufen? – Was? Scheiße! Bleib da, Honey! Bleib, wo du bist!« Er legt eine Hand über das Mikrophon. »Sie sind im Haus. Sie kann sie herumschleichen hören.« Er redet wieder mit Elaina. »Hör zu, Liebes.
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