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Die Blutlinie

Die Blutlinie

Titel: Die Blutlinie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cody Mcfadyn
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versteht, dass ich etwas Wichtiges tue, und sie gibt ihm die Ernsthaftigkeit, die es verdient.
    Ich nehme eine Zielscheibe mit menschlichen Umrissen und befestige sie am Halteclip, dann drücke ich auf den Knopf und sehe zu, wie sie über das Seil nach hinten läuft, weg von mir, weiter und weiter, bis sie so klein zu sein scheint wie eine Spielkarte.
    Mein Herz hämmert schmerzhaft in meiner Brust. Ich zittere und schwitze, während ich auf die Glock blicke.
    Dieses glatte, schwarze Instrument des Todes. Manche sind über seine bloße Existenz empört, andere halten es für einen Ausdruck der Schönheit. Für mich war es stets eine natürliche Erweiterung meiner selbst. Bis sie mich betrogen hat.
    Dies hier ist eine Glock 34. Ihr Lauf hat eine Länge von dreizehn Komma fünf Zentimetern, und sie wiegt einschließlich vollem Magazin knapp über siebenhundert Gramm. Das Kaliber ist neun Millimeter, und das Magazin fasst siebzehn Schuss. Der Abzugswiderstand beträgt unmodifiziert sanfte zwei Kilogramm. Ich kenne sämtliche mechanischen Details. Ich kenne sie so gut wie meine eigene Größe und mein eigenes Gewicht. Die Frage ist nun, ob wir uns aussöhnen können, dieser schwarze Vogel und ich.
    Ich bewege die Hand in Richtung der Waffe. Ich schwitze jetzt stärker. Mir ist schwindlig, doch ich beiße die Zähne zusammen, zwinge mich weiterzumachen. Ich sehe Alexas Augen, das »O« aus ihrem Mund, als meine Kugel, aus meiner Waffe, in ihre Brust eindringt und sie für immer zum Schweigen bringt. Die Szene spielt sich immer und immer wieder in meinem Kopf ab, wie ein Stück Film in einer Endlosschleife. Peng und tot. Peng und tot. Peng und das Ende der Welt.
    »GOTTVERDAMMTER BASTARD. DU GOTTVERDAMMTER BASTARD DU!« Ich weiß nicht, ob ich Gott anschreie oder Joseph Sands oder die Waffe oder mich selbst.
    Ich reiße die Glock in einer glatten, fließenden Bewegung hoch, bringe den Lauf ins Ziel und schieße. Der schwarze Stahl ruckt in meiner Hand, peng-peng-peng-peng-peng!
    Schließlich ein Klicken, das Magazin ist leer geschossen. Ich zittere am ganzen Leib, weine. Doch die Glock ist immer noch da, und ich bin nicht ohnmächtig geworden.
    »Willkommen zurück«, meine ich sie flüstern zu hören.
    Mit zitternder Hand drücke ich den Knopf, der die Zielscheibe zu mir nach vorne bringt. Als sie da ist, erfüllt mich das, was ich sehe, mit einer Art traurigem Frohlocken. Zehn glatte Kopfschüsse, sieben ins Herz. Ich habe alles getroffen, was ich treffen wollte, wo ich treffen wollte, genau wie immer.
    Ich sehe die Zielscheibe an, dann die Glock, und erneut spüre ich diese Mischung aus Freude und Traurigkeit in mir. Ich weiß jetzt, dass das Schießen nie wieder die einfache, reine Freude sein wird, die es früher einmal für mich war. Zu viel Tod steckt inzwischen dahinter. Zu viel Trauer, die ich niemals verwinden werde.
    Doch das ist okay. Ich weiß jetzt, was ich wissen musste. Ich kann eine Waffe halten und abfeuern. Ob ich es gerne tue oder gar liebe, spielt keine Rolle.
    Ich lasse das Magazin herausfallen, nehme meine Zielscheibe und drehe mich zu Bonnie um. Sie starrt aus geweiteten Augen fassungslos auf die Scheibe und dann auf mich. Schließlich lächelt sie. Ich zerzause ihr die Haare, und wir verlassen den Schießstand, kehren nach vorn an den Tresen zurück, wo Jazz mit vor der Brust verschränkten Armen auf einem Hocker sitzt. Auf seinem Gesicht steht ein schwaches Lächeln. Seine Augen sind jetzt nur noch warm, keine Spur von Kälte zu erkennen.
    »Ich wusste es, Smoky. Es steckt dir im Blut, Darling. Im Blut.«
    Ich sehe ihn für einen Moment an, dann nicke ich. Er hat Recht.
    Meine Hand und eine Pistole. Wir sind wieder vereint. Es mag vielleicht eine unbequeme Beziehung sein, voller Klippen, die es zu umschiffen gilt, doch mir wird bewusst, dass ich sie vermisst habe. Sie ist ein Teil von mir. Selbstverständlich ist auch die Waffe nicht mehr jungfräulich. Sie ist genauso gealtert wie ich, genauso vernarbt. Das ist ihr Lohn dafür, dass sie mich als Braut erkoren hat.

 

TEIL II
TRÄUME UND KONSEQUENZEN

KAPITEL 22
    Bonnie wacht mitten in der Nacht schreiend auf.
    Es ist nicht der Schrei eines Kindes. Es ist ein Heulen, wie jemand es von sich gibt, der in einem Raum in der Hölle eingesperrt ist. Hastig schalte ich die Nachttischlampe an. Zu meinem Entsetzen sehe ich, dass ihre Augen noch geschlossen sind. Ich werde immer wach, wenn ich anfange zu schreien. Bonnie schreit im Schlaf. Sie ist in

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