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Die Blutmafia

Die Blutmafia

Titel: Die Blutmafia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Klingel drückte, hatte er kaum Hoffnung, die junge Frau anzutreffen. Und doch, er vernahm Schritte, ein Hüsteln, die Tür öffnete sich – und da stand sie.
    »Erinnern Sie sich noch an mich, Frau Bühler?«
    »Herr Martin! Und ob! – Kommen Sie rein.«
    Sie trug einen grünen Bademantel und einen blauen Frotteeturban auf dem Kopf. Die Haut glänzte frischgecremt.
    »Entschuldigen Sie schon, aber ich komme gerade aus dem Bad.«
    »Ich muß mich entschuldigen, Frau Bühler. Ich dachte …«
    Er verstummte. Er wußte nicht mehr, was er gedacht hatte, aber er sah: Sie hatte sich verändert. Die Frau, der Gang, die Augen … Die Brauen waren rasiert, die Hände manikürt, und das Gesicht, es wirkte verjüngt, nein, befreit.
    Da wußte er es! Doch er stellte die Frage trotzdem: »Angela … ist sie …?«
    »Ja.« Sie nickte. »Vor drei Wochen.«
    Die Augen, die frisch umrandeten, füllten sich mit Tränen.
    »Entschuldigen Sie, Herr Martin …« Sie tupfte mit den Fingerspitzen die Tränen fort, aber das machte es noch schlimmer: Ein schwarzer Strich zog sich über ihre Nase. »Wollen Sie nicht reinkommen?«
    Er hätte ihr so gerne die Hand auf die Schulter gelegt oder sie an sich gezogen, ja, einfach irgend etwas getan, denn was gab es schon zu sagen? Doch er wagte es nicht. Er folgte ihr in das Zimmer, das er schon kannte. An der Wand über dem Sofa hingen Kinderzeichnungen. Eine Sonne über einem kleinen Haus. Ein Baum stand daneben. Dieselbe lachende Sonne über einem blauen See, auf dem Enten schwammen …
    »Hat Angela das gemalt?«
    Sie nickte nur.
    Die Tür zum Nebenraum war weit geöffnet. Dort hatte er Angela zum letzten Mal gesehen. Dort hatte ihr Bett gestanden. Nun waren die Wände frisch gestrichen, und in der Luft hing noch immer der Geruch der Farbe.
    Sie hatte seinen Blick bemerkt: »Wissen Sie, Herr Martin, man wundert sich selbst, daß alles einfach weitergeht. Nichts stürzt ein, nichts steht still. Man räumt die Wohnung aus, und dann wird frisch gestrichen …«
    Ihre Stimme zitterte.
    »Vielleicht ist das auch ganz gut so. Das muß so sein. In diesem Fall muß das einfach sein – verstehen Sie, was ich meine?«
    »Ich glaube ja, Frau Bühler.«
    »Herrgott, was hat sie denn getan? Angela … Sie war so unglaublich lieb, das kann man gar niemandem erzählen! Und so geduldig … Nur eines hat sie nie verstanden: warum es den anderen Kindern gutging, warum sie nicht mitspielen durfte, wieso sie sie auslachten – während es für sie nur die Schmerzen gab, diese schrecklichen, langen Schmerzen … Und die Schwäche … Das war wohl das Schwerste. Darunter hat sie am meisten gelitten.«
    Nun griff er doch nach ihrer Hand und hielt sie fest. Er spürte, wie sich die Finger wieder öffneten.
    »Aber, Herr Martin, es war Zeit, daß alles ein Ende nahm, glauben Sie mir … Wissen Sie, auch ich hätte es nicht mehr lange durchstehen können. Es war ja nicht nur das Kind im Bett, das Hilflos-zuschauen-Müssen, wie die kleine Maus richtig zusammenschmolz, es war auch das andere: das Finanzielle. Das gehörte doch auch dazu. Auch wenn sich der Verband alle Mühe gab, was konnte er schon helfen? Ich hatte doch keine Basis! Ich mußte einen Halbtagsjob annehmen. Und wenn ich dann noch Zeit hatte, zwischen Arbeit und Pflege, konnte ich bei den Behörden rumrennen. Ich war ja nicht mal die leibliche Mutter … Doch statt mich zu unterstützen, schmissen die mir nur Prügel in den Weg. Sogar an den Minister habe ich geschrieben. Meinen Sie, ich hätte eine Antwort erhalten? Nichts. Gar nichts …«
    Sie zitterte. Nun konnte sie auch das Schluchzen nicht mehr verhindern. Sie nahm ihr Taschentuch und tupfte entschlossen das Gesicht sauber, ohne zu bemerken, daß es zu einer Maske aus feuchter Haut und schwarzen Streifen geworden war.
    »Das Schlimmste ist die menschliche Ignoranz …« Er hörte es sich sagen, und dabei wurde ihm klar, daß er Ludwig Kiefer zitierte. »Und diese Ignoranz«, setzte er hinzu, »ist wie eine Verschwörung.«
    Das war es! Und Kiefer wollte eine andere Verschwörung dagegensetzen!
    Es war kurz nach fünf, als er die Gartentür des Hauses aufstieß. Der Regen hatte aufgehört, überall lagen abgebrochene Zweige und Blätter, die der Sturm von den Bäumen und Büschen gerissen hatte. Vera war im Anbau dabei, die Waschmaschine auszuräumen. Sie tat es mit übertriebener Konzentration. Sie mußte ihn gehört haben – aber nein, sie sah nicht auf.
    »Hallo, Vera.«
    Noch immer keine

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