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Die Blutmafia

Die Blutmafia

Titel: Die Blutmafia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Reaktion. Er erkannte, daß sie die grauschwarze Seidenkombination trug, die sie zu besonderen Gelegenheiten anzog.
    Endlich drehte sie den Kopf: »Auch mal wieder da?«
    »Richtig. Auch mal wieder.«
    »Wir treffen uns in letzter Zeit ja ziemlich selten.«
    »Meinst du?«
    »Ja, das meine ich. Und an mir liegt's nicht.«
    Sie war böse. Gut. Aber er kannte sie: In diesem Stadium würde sie sich rasch beruhigen.
    »Ich habe dich angerufen«, log er. »Aber da ging ja niemand an den Apparat.«
    »Das muß am Vormittag gewesen sein. Da war ich allerdings weg.«
    Er griff zum Korb, um dem Vorwurf ihrer Augen auszuweichen. Sie kam ihm zuvor. »Laß das.«
    »Darf man wissen, wo du warst, Vera? Ich meine, so schick, wie du dich gemacht hast …«
    »Man darf. Ich war bei Dr. Herzog.«
    »Schon wieder?« stöhnte er.
    »Du eingebildeter Kerl mit deinem Mittelpunktswahn! Nicht deinetwegen war ich beim Arzt. Diesmal ging's um mich … War ja auch mal nötig, oder?«
    »Fühlst du dich nicht gut?«
    »Ich fühl' mich sogar bestens. Wirklich, ich fühl' mich so gut wie nie.«
    Sie brachte diese Mitteilung mit merkwürdigem Ernst hervor. Auf ihrer Stirn entstanden die beiden Kerben, die stets etwas sehr Aufregendes oder unendlich Wichtiges ankündigten.
    »Bitte, Vera, nun rück schon raus damit.«
    »Ja, ich rücke raus damit.« Sie bewegte sich nicht, sie sah ihn an, aber dann erschien endlich das Lächeln, auf das er gewartet hatte. Sie sagte: »Du, Rio, wir bekommen ein Kind …«
    Vielleicht – Rio Martin dachte es später oft genug –, vielleicht lag es daran, daß ich Ursula Bühler besucht habe, daß sie mir die Fotos zeigte, diese Fotografien des winzigen, greisenhaft zusammengeschrumpften Gesichtchens eines Kindes namens Angela … Vielleicht lag es sogar daran, daß ich mir von Ursula Bühler diese Beerdigungsmitteilung zustecken ließ – ein schmaler Papierstreifen nur, auf der Vorderseite Angelas Fotografie, eine Angela, die noch gesund und rund wirkte und in die Kamera lächelte wie die Sonne auf ihren Bildern. Auf der Rückseite stand ein Gebet: »Herr, gib ihr die ewige Ruhe, und das ewige Licht leuchte ihr …«
    Vielleicht war es das? Vielleicht seine Ängste, seine Alpträume, in die er sich mehr und mehr verstrickt fühlte. Vielleicht waren es auch die Gespenster, die ihn Nacht um Nacht heimsuchten, die Angstgespenster, das ewige: Und wenn Vera sich angesteckt hat, was dann?! … Wer hat Schuld? Wer hat Aids? Wer schleppt die Killerviren in sich herum und trägt somit die Verantwortung? … Du doch, du verdammter Idiot!
    Und jetzt …
    Und jetzt, jetzt – jetzt?!
    Und jetzt sagt sie: Rio, wir bekommen ein Kind …
    Er rannte durch den Park.
    Die Sohlen seiner weißen Laufschuhe verursachten ein hartes, knappes Geräusch. Es war ihm, als müsse er weiterlaufen, ewig so weiterlaufen, bis ans Ende der Welt …
    Und er war nicht länger allein. Dieter Reissner, der Schatten, nein, der Begleiter, hatte sich wieder eingefunden …
    »Begleiter, Rio? Begleiter ist passé … Partner sind wir …«
    Partner? dachte Rio. Verflucht seist du!
    »Lauf, los! Renn schneller! Dem Wahnsinn läufst du nicht davon …«
    »Das brauchst du mir nicht zu sagen.«
    Aber er lief schneller. Und er war froh um das Hämmern des Pulses, das Stechen in den Lungen; er drehte den Kopf nicht, wenn Passanten ihm nachfluchten, sah stur geradeaus, hechtete über abgebrochene Äste, durch Schmutzlachen.
    »Siehst du, Rio, siehst du … Nun weißt du, wie es ist …«
    Er wußte nicht, unter welchen Stichworten Psychologen derartige Stimmen und Einbildungen abhaken: ›Hysterisch bedingte Visionen‹? Vielleicht ›Schizophrenie‹ … Sollten sie. Er war wahnsinnig. Stimmte doch? Und ob er es war! Aber noch immer nicht wahnsinnig genug, einem Reissner recht zu geben.
    Während ihm die Luft wegblieb und sein Herz aussetzte, schrie er: »Ja – jetzt weiß ich's! Aber ich bring nicht meine Familie um wie du. Da greif ich mir schon andere. Die, die umgelegt gehören, die, die Schuld haben …«
    Es war eine Telefonzelle wie jede andere. Sie stand an einem der Parkausgänge, leuchtete gelb vor sich hin und gab ihm eigentlich nur eine einzige Frage auf: Wie er überhaupt in diese Gegend geraten war?
    Die Kappen seiner Schuhe waren mit Dreck verschmiert, und an den Dreck hatten sich Blätter geheftet. Auch die Aufschläge der Hosen waren naß. Der Regen hatte überall im Park große Lachen und ganze Teppiche abgerissenen Laubes hinterlassen.

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