Die Blutmafia
darauf kommt es an. Das zu trainieren, ist wichtig. Was ich plane, ist Mord. Und ein Mord ist kein Kinderspiel. Falls du mitmachst, kann eine Situation eintreten, in der ein einziger Schuß genügen muß. Und der muß im Ziel sein.«
F ALLS DU MITMACHST …
Mordkomplott – Mordwetter …
Seine erste Kugel hatte die Krawatte auf Hampels Fotografie zerschlagen. Was lag darunter? Speiseröhre, Knorpel, Halsschlagadern. Dahinter das Rückgrat. Nicht sehr appetitlich. Vielleicht ein schneller, aber kein schöner Tod. Doch der Tod war es, der zählte. Schüsse aus einer ›Heckler und Koch‹, Kaliber 9 mm, Schüsse ins Herz, in den Kopf, durch die Krawatte in den Hals, wohin auch immer. »Was ich plane, ist Mord.«
Er plant … Aber du?
Bin ich soweit?
Neunundfünfzig Jahre alt war Bernhard Hampel. Vermutlich das Alter, um sich auch ohne Druck in den vorzeitigen Ruhestand versetzen zu lassen. Er aber ging nicht freiwillig. Der Minister wollte das so. Und was der Staatsanwalt, der sich auch mit ihm beschäftigte, von ihm wollte, war noch nicht heraus …
Vor dem Garten, draußen auf der Straße, begannen die Leute zu rennen. Rio spürte den körnigen Anprall der Sandpartikel, die der Sturm ihm ins Gesicht schleuderte. Es war wie tausend kleine Stiche. Er schloß die Augen.
»I ST AUCH NUR EIN EINZIGER BISHER VERDONNERT WORDEN ? D ABEI IST H AMPEL DER SCHLIMMSTE . E NGEL IST NICHTS ALS EIN L UMP . H AMPEL , R IO , H AMPEL VERKÖRPERT DAS S YSTEM , VERSTEHST DU ?«
Welches System meint er? dachte Rio. Auch Ludwig Kiefer hat es schließlich verkörpert. Er war sogar stolz darauf. Er sah sich auf der Seite des Rechts. Und wieder meinte Rio, seine Stimme zu hören: »Das schlimmste an allem, Rio, ist die menschliche Ignoranz, die nichts wahrnehmen will. Die erst macht die Hampels möglich …«
Der erste Blitz flammte auf. Er ließ den First des Gasthofes bläulich aufleuchten. Der Sturm tobte weiter. Doch kein Tropfen fiel.
Engel … Hochstett … Hampel … Und dazu noch viele unbekannte, ungezählte andere. Ein Beispiel geben? Wie hatte Hampel in einem der Briefe geschrieben, die ihm der Kriminalrat draußen in Steinebach vorgelegt hatte: »… und gehe ich davon aus, daß das unsachliche, vor allem aber unqualifizierte Medienspektakel, das interessierte Kreise wie die Aids- und Hämophilenorganisationen , aber auch noch andere zur Zeit anstrengen, von handfesten politischen Interessen getragen wird. Doch wie die Erfahrung der letzten Jahre zeigt, wird es auch bald wieder abklingen. Schließlich muß festgestellt werden, daß bei dem hohen Standard der Sicherheitsvorkehrungen der betroffenen Firmen eine Kontaminierung nicht zu erwarten war …«
Nicht zu erwarten … Aber die Sicherheitsvorkehrungen waren den ›betroffenen Firmen‹ ein wenig zu teuer geworden. Und sie hatten ja Hampel, den Superstar im Abwiegeln …
»Und so bleibe ich, verehrter Herr Doktor, im Gedenken an unsere interessanten und fruchtbaren Gespräche und die unvergeßlichen Tage, die ich in Ihrem Feriensitz verbringen durfte – Ihr ergebener Bernhard Hampel.«
Und gleich anschließend das PS:
»Seien Sie versichert, daß Ihre Sorgen und Wünsche auch in Zukunft bei mir volles Gehör und Rückendeckung finden werden …«
So lief das. Und jetzt regnete es.
Rio stand auf und schüttelte sich, aber er spürte die Tropfen nicht.
Beschwerden aus der Aids-Hilfe, Beschwerden der Kliniken, Beschwerden der Hämophilenverbände, Beschwerden der Presse – das sowieso, denn auch dort schottete Hampel ab – doch für die Firmenleitungen nie ein böses Wort. Wie auch? Bei ihnen war der Biologe Hampel freier wissenschaftlicher Mitarbeiter. Und ein Ticket für eine kleine Reise zu einem unvergeßlich schönen Feriensitz fiel auch ab …
Ein Mann namens Hampel …
»Sie sind ja ganz naß. Was ist jetzt mit Ihrem Kaffee?«
Rio stand in der Gaststube.
»Hier.« Er gab der Kellnerin einen Zehnmarkschein und stürmte hinaus …
Der Himmel – Schiefer! Über den Fernsehantennen das Geäder der Blitze. Autos, die nur noch im Schritt-Tempo fuhren, Passanten, die sich in Hauseingänge geflüchtet hatten.
Rio zwängte den Porsche durch eine Toreinfahrt. Sekunden später verließ er den Wagen, rannte mit eingezogenem Kopf an ein paar Abfallkübeln vorbei und stellte zu seiner Erleichterung fest, daß er die Haustür aufdrücken konnte.
Drinnen war es dunkel. Es roch nach Nässe und Bohnerwachs.
›Ursula Bühler‹. Hier stand es!
Als er die
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