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Die Blutmafia

Die Blutmafia

Titel: Die Blutmafia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Jacke, holte die Sonnenbrille hervor und setzte sie auf. Und dann zog er aus dem Jeanshemd das Notizblatt hervor, auf das ihm Ludwig Kiefer den Namen der Pension geschrieben hatte: ›Pension Carola‹ …
    »Das liegt in der Windscheidstraße, Rio. Das ist nicht allzu weit weg vom Max-Kroner-Platz. Dort wohnt er.«
    »Hampel?«
    »Ja. Und noch etwas, Rio, ein ziemlich wichtiges Detail: Nimm möglichst öffentliche Verkehrsmittel und meide die Taxis. Taxifahrer haben oft ein unglaublich gutes Personengedächtnis …«
    Nun zwängte er sich zwischen Taxis hindurch. Sie kamen, fuhren an; Reisende, U-Bahn-Fahrer kamen ihm entgegen, junge Mädchen in Sommerfetzen rannten an ihm vorbei, kamen sich ungemein wichtig vor. Da war eine Blonde, die ihn anlachte. Und er mit seinem alten ›Pilot-bag‹ in der Hand, unbeholfen und verwirrt. Ja, zum ersten Mal fühlte er sich fremd in Berlin. Aber auch auf irgendeine Weise gelöst von allem. Vorbei die Zeiten der Edelpension ›Tauentzien‹ oder gar des ›Kempinski‹, wo er sonst logierte. Vorbei – für alle Zeiten …
    »Verzeihung, könnten Sie mir vielleicht sagen, wie ich zur Windscheidstraße komme?«
    »Windscheidstraße?« Es war eine ältere Dame, die ihn mit glasblauem, scharfem Blick aus vielen Fältchen heraus musterte. »Windscheidstraße, ach ja … Haben Sie ein Auto?«
    Er schüttelte den Kopf.
    »Na, nehmen Sie den Bus. Ist nicht allzu weit. Das heißt, Sie könnten auch die U-Bahn … Aber vielleicht ist der Bus doch günstiger.« Sie erklärte mit soviel Wärme und Temperament, als sei er ein verlorengegangener Pfadfinder. Ihre Anteilnahme tat Rio gut, aber er drehte sich ziemlich hastig und unhöflich um, um rasch weiterzugehen. Verdammter Mist: Da steckt der neue Stadtplan von Berlin in deinem Koffer. Wieso hast du ihn nicht herausgenommen, statt alte Frauen anzulabern? Lern dazu, Mensch! Du mußt lernen! – Und rasch.
    Es war ein sehr großes, von der Zeit braun eingefärbtes Haus aus der Gründerzeit mit aufwendig dekorierten Fensterfassungen aus Sandstein. Das Schild ›Pension Carola‹ stand neben der Klingelleiste.
    Er drückte. Die Gegensprechanlage knackte. Dann ertönte der Summer. Die Halle, die zum Treppenhaus führte, war mit einer messingverzierten Glaswand abgetrennt. Das Glitzern bildete einen überraschenden Gegensatz zu dem schäbigen Eindruck, den das Haus von außen machte.
    Unter einer hohen, geöffneten Tür stand ein Mann. Er hatte etwa Rios Größe. Er trug einen dunkelblauen Pullover und eine dunkelblaue Hose. Eigentlich sah er aus wie ein in die Jahre gekommener Student. In die schwarzen Haare mischten sich bereits graue Strähnen. Durch seine randlose Brille musterte er Rio mit wachsamer Freundlichkeit.
    »Kann ich Ihnen helfen?«
    »Ich hätte gerne ein Zimmer.«
    »Sie haben vorbestellt?«
    Rio nickte.
    »Der Name, bitte?«
    »Wohlmann«, sagte er. »Günter Wohlmann.«
    »Ah – hier …«
    Ludwig Kiefer hatte gute Arbeit geleistet. Doch nun wurde es kritisch … »Ich melde dich im ›Carola‹ an. Ich hätte dir natürlich auch einen Paß besorgen können, Rio. Wäre nicht einmal so schwierig gewesen. Aber so auf die Schnelle? Das ›Carola‹ ist ein ganz spezieller Laden, so speziell, daß sie auf Ausweispapieren nicht unbedingt bestehen. Du mußt nur einen kleinen Trick anwenden …«
    Rio wandte den Trick an und betete die Formel herunter, die Kiefer ihm mitgegeben hatte: »Ach ja«, sagte er, »falls Sie den Ausweis brauchen – er steckt noch in meinem Aktenkoffer im Schließfach.«
    Der Mann lächelte, lächelte ohne mit der Wimper zu zucken. »Wir haben Zimmer Nummer zwölf für Sie bereit, Herr Wohlmann. Ein sehr ruhiges Zimmer. Es geht zum Hof.«
    Und es war wirklich ein sehr ruhiges Zimmer! Durch das breite, von goldenen Vorhängen eingefaßte Fenster erblickte Rio nichts als eine graue Betonwand. Sie war mit einem grünlackierten Spalier geschmückt, an dem auch tatsächlich ein paar halbverhungerte Gewächse wuchsen – aber sie blieb Beton. Ruhig war es auch. Ruhig wie auf einer Insel. Ruhig wie im Gefängnis …
    Rio schloß das Fenster und zog die Goldvorhänge vor, setzte den Pilotenkoffer auf die kleine, hübsche Nachbildung eines antiken Sekretärs, warf sich aufs Bett und verschränkte die Hände unterm Kopf.
    Nachdenken? Erübrigte sich. Wieso noch überlegen? Die Koordinaten sind vorgegeben – der Rest verläuft nach Plan.
    Nur die Erinnerung an Veras strahlendes Abschiedsgesicht abzuwehren, war nicht

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