Die Blutmafia
ein sich unendlich wiederholendes Echo.
Bruno ließ das Fenster des Porsche sinken und warf seinen Stumpen hinaus. Er war ausgegangen.
»Verdammter Scheiß«, flüsterte er. Und dann: »Oh, Mannomann …«
Ja, oh, Mannomann … Rio wollte den Gedanken nicht heranlassen, sein Verstand, alles in ihm wehrte sich dagegen. Dieser Gedanke, so düster und dabei so gewaltig, daß er ihn zermalmen konnte, dieses erdrückende, schreckliche: Du BIST S CHULD … Du HAST SIE AUF DEM G EWISSEN …
Er sah wieder das ärmliche Wohnzimmer der Gärtnerei. Er sah den Teppich, den gelben Bademantel, das weiße Knie, das helle Haar, die verkrampften Finger …
»Sie ist mit Hilfe eines Würgebands ermordet worden.« Kommissar Wendland hatte es ihm nach dem Frühstück erklärt. »Eines steht fest: Der Mann, der die Tat ausführte, war Fachmann. Der Arzt hat einen glatten Genickbruch festgestellt. Das ist in solchen Fällen ziemlich selten. Meistens werden die Opfer stranguliert …«
Genickbruch. Stranguliert.
Diese Brüder, diese hirnrissigen, wahnsinnigen Verbrecher! Du bist schuld, ja … Aber wie konntest du wissen, daß du es mit derartigen Verrückten zu tun hast?
Der gelbliche Hauch, den das Licht der Messinglampe auf die kurzen grauen Haare Paul Novotnys warf, erweckte den Eindruck einer ausgebleichten Haartinktur. Novotnys dunkle Augen sahen Rio an. Und der Jager-Hiasl , der auf der Kupferstichreproduktion über dem Kopf des Kommissars die Flinte schwang, starrte gleichfalls. Vor ihnen standen Bier, Brezen und ein Topf voll Sauerkraut mit Regensburgern. Den ›konspirativen Treff‹ hatten sie in eines der Bierlokale der Innenstadt verlegt.
Rio schob seinen Sauerkrautteller von sich. Er konnte einfach nichts mehr essen.
»Weißt du, Rio«, sagte der Kommissar, »mich in andere Gehirne hineinversetzen, das muß ich schließlich jeden Tag. Aber bei dir schaff ich's einfach nicht. Warum, Himmelarsch noch mal, warum hast du den hessischen Kollegen nichts davon erzählt, daß diese Frau, diese – wie hieß sie noch?«
»Reichenbach. Dagmar Reichenbach.«
»… daß diese Reichenbach dir an ihrem Arbeitsplatz ihre Telefonnummer gegeben hat? Und daß sie offensichtlich scharf darauf war, auszupacken?«
Rio zuckte mit den Schultern. Er war müde. Er war überhaupt nur noch müde … Statt zu reden, schob er Novotny die Tonbandabschrift zu. Er hatte sie am Nachmittag in der Redaktion selbst abgetippt. Es war eine Qual gewesen, sich Dagmar Reichenbachs von Pausen zerstückelte Stimme wieder anzuhören.
Novotny las schweigend. Auf seiner Stirn sprang ein ganzer Fächer von Falten auf. Er sagte noch immer nichts. Er schüttelte nur den Kopf und schob Rio das Blatt zurück.
»Als ich das Tonband zum erstenmal abspielte, ging mir der Seifensieder erst richtig auf, Paul. Das war auf einem Autobahnparkplatz in der Nähe von Frankfurt. Ich konnte es deinem Kollegen Wendland in Bernhagen also nicht vorspielen. Und ich hätte es auch nicht.«
»Und warum?«
»Warum, warum? Ehe ich diese Bernhagener Provinzbullen von der Kette lasse, wollte ich doch den ganzen Fall mit dir durchsprechen. Vor allem wollte ich mit dir über meine Theorie reden …«
»Daß es sich immer um denselben Täter handelt? Ob Cenitza, Vera oder diese unglückselige Dagmar Reichenbach – der gleiche Sadist mit Messer und Würgeband?«
»Ja, Paul.«
»Ein Lohnkiller? Und dahinter der große Unbekannte, der ihn bezahlt und auch sonst an den Schnüren zieht? Und der stammt, natürlich aus dem Hause ›Bio-Plasma‹, ja?«
»So in etwa, Paul.«
»Aber wieso dann Vera? Die paßt doch überhaupt nicht ins Bild!«
»Wieso denn nicht?« fragte Rio und stocherte mit den Gabelspitzen in den bräunlichen Kohlfasern seines Sauerkrauts herum. Irgend jemand schob sich am Tisch vorbei und ließ die drei Worte »Grüß-dich-Novotny« in die plötzliche Stille zwischen ihnen fallen. Novotny sah noch nicht einmal auf. Er nickte nur. Die Kellnerin kam mit frischem Bier. Er ließ es stehen.
»Und warum paßt sie nicht ins Bild, Paul? Da bin ich völlig anderer Ansicht.«
»Ja?« Novotny verzog ironisch den Mund. »Und wie sieht sie aus, deine Ansicht?«
»Komm, Paul, das ist doch auch dir klar. Als ich dort auftauchte – meinen Artikel hatten sie ja schon auf dem Tisch –, gerieten sie in Panik. Zunächst wurde Hochstett vorgeschickt. Der kam zu mir ins Hotel, um die ›Bio-Med‹-Spur zu legen. Weil ich aber ziemlich stur blieb, die Kerle aber auf jeden Fall
Weitere Kostenlose Bücher