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Die Blutmafia

Die Blutmafia

Titel: Die Blutmafia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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über die Schnur ihres Päckchens her.
    »Da.« Ein wahrer Erdrutsch kleiner Törtchen ergoß sich auf Veras Teller. »Schalt deine Vorurteile ab und probier einfach mal. Schließlich: Man kann auch von Brot dick werden. Dann lieber von dem Zeug hier.« Sie ließ zwei Marzipanwunderwerke in ihrem breiten, klatschmohnrot bemalten Mund verschwinden, lehnte sich zurück, griff nach ihren Zigaretten und betrachtete Vera ebenso liebevoll wie prüfend. »Zucker ist gut für die Nerven. Wie steht's denn mit deinen?«
    »Wieso?«
    Sie wußte, warum Cleo die Frage stellte, und setzte schnell hinzu: »Mir geht's bestens.«
    »Bist ein Phänomen, du Sadistenopfer: Aber weißt du«, sie nahm einen tiefen Zug, »ehe ich hierher kam, hab' ich extra noch mal Max Hohler angerufen. Man kann über Max sagen, was man will – ich frag' mich ja immer, ob er wirklich schwul ist oder ob das die Leute nur von ihm behaupten –, aber er bleibt einer der besten Therapeuten am Markt. Und nicht nur das. Er ist Spezialist für solche Fälle.«
    »Zu was brauch' ich denn 'nen Spezialisten, um Himmels willen?«
    »Das merkt man meistens zu spät, daß man den braucht, Schätzchen. Und dann kann's schwierig werden. Erinnerst du dich an diese Landshut-Geschichte?«
    »Welche Landshut …«
    »Landshut hieß der Flieger. Ein Lufthansa-Jet. Irgendwelche PLO-Verrückten haben den damals nach Mogadischu entführt und die Leute als Geiseln genommen. Nun, von diesen Geiseln hat Mäxchen ein halbes Dutzend behandelt. Und hat sie kuriert. Die Leute erlebten ihre Alpträume jeden Tag, jede Nacht. Grauenhaft, nicht?«
    »Ich habe keine Alpträume. Und ich werd' mir keinen seelischen Knacks holen, Cleo. Wenn du noch was wissen willst: Ich wundere mich selbst darüber.«
    »Du meinst, du hast diesen Messertypen vergessen – oder verdrängt?«
    »Weder noch, Cleo. Vielleicht liegt es daran, daß meine Eltern beide Schauspieler sind. Ich bin unter Schauspielern groß geworden. In der Szene nimmst du die Dinge anders wahr. Vor allem aber nimmst du nichts mehr so richtig ernst. Es herrscht immer eine Atmosphäre der Unwirklichkeit. So wie in diesem Wohnmobil … Bei meinen Eltern wußte ich zum Beispiel nie recht zu unterscheiden, ob sie nun in ihrer Rolle waren, sich gegenseitig – oder auch mich – auf den Arm nahmen, ob sie hysterisch waren, ob sie das wirklich meinten, was sie sich an den Kopf schmissen. Irgendwie muß ich das mitbekommen haben …«
    »Das ist interessant. Das muß ich Mäxchen …«
    »Cleo! Dieser Wagen … dieser Mann, diese komische Stimme, die er hatte. Dazu die Maske, das war – ja, das war so was von irreal. Wie Theater. Du kannst dir das nicht vorstellen. Und ich kann's im Grunde auch nicht. Vielleicht ist es gerade das, was hilft … Es ist wie ein Traum. Es bleibt ein Traum. Kein Alptraum, eher schon irgendein läppischer Traum.«
    Cleo blickte sie zweifelnd aus ihren dunkel umrandeten Augen an. »Also ich weiß nicht … Und was sagt Rio?«
    »Rio? Ach, Rio …«
    »Klingt ja nicht gerade begeistert.«
    »Rio schaut mich dauernd genauso an wie du gerade. Und dann nimmt er mich in den Arm und will wissen, ob es mir nun auch wirklich gutgeht. Und ist heilfroh, wenn ich sage: Klar! Dann kann er nämlich wieder abzischen. Er ist wieder mal hinter einer Geschichte her. Deshalb sind wir ja auch in den Taunus gefahren. Solange er aber seine Story im Kopf hat, existiert nichts anderes für ihn. Nicht einmal ich.«
    Vera überlegte, ob sie Cleo von ihren mißglückten Liebesvorsätzen im ›Parkhotel‹ erzählen sollte. Bettgeschichten waren nun einmal Cleos Lieblingsthema. Stundenlang konnte sie sich darüber auslassen. Und gerade deshalb ließ Vera es sein.
    »Er wird seine blödsinnige Geschichte schreiben«, sagte sie, »und dann taucht er wieder auf …«
    Es regnete noch immer. Es regnete so stark, daß sich trotz der gewaltigen Glasfenster die Redaktion verdüsterte. Wie alle anderen schaltete auch Rio Martin in seinem Büro die Schreibtischlampe ein. Vor ihm lag ein braunes DIN-C5-Kuvert . Er schrieb Novotnys Adresse darauf, doch ehe er die Fotokopie des Förster-Berichtes endgültig hineinsteckte, warf er noch einen letzten Blick darauf:
    Thomas Engel. Geboren am 24.11.1941 in Paderborn. Vater: Postbeamter im mittleren Dienst.
    Nach einem abgebrochenen Jurastudium (vier Semester) arbeitete Engel zunächst auf dem Bau. Ab 1965 gelang es ihm trotz seiner Jugend überraschend schnell, in der Immobilienbranche Fuß zu fassen.

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