Die Blutnacht: Roman (German Edition)
werden.«
Tannhäuser drehte sich um und rief die Kinder aus dem Gasthaus.
Sie standen schon in die Tür gequetscht da und beobachteten jede seiner Bewegungen.
»Ich will Euch nicht täuschen, Hauptmann. Der Junge da ist mein Lakai. Die Mädchen sind zu mir gekommen, als sie um ihr Leben rannten. Vielleicht wurden sie im protestantischen Glauben erzogen. Ich weiß es nicht. Ich habe nicht gefragt. Es ist mir gleichgültig.« Er lehnte sich nah zu Garniers Gesicht. »Ich bin ein Ordensmann.«
Garnier wich einen Schritt zurück.
»Ich bin ein Ritter vom heiligen Johannes dem Täufer aus Jerusalem. Meine Narben wurden mir von den Türken beigebracht, in einem Krieg, mit dem die Christenheit gerettet werden sollte. Lasset die Kindlein zu mir kommen, hat Jesus Christus gesagt. Diese hier sind nun aber zu mir gekommen. Und ihr braucht mich zwar vielleicht nicht als Freund, wollt mich aber sicherlich nicht zum Feind haben.«
Garnier rang entschuldigend die Hände. »Ritter, für Euch würde ich sie in meinem eigenen Zuhause beschützen lassen.«
»Euer Angebot rührt mich, aber ich habe bereits meine eigenen Vorkehrungen getroffen. Verkündet einfach nur, dass sie nicht bedroht oder sonst verletzt werden dürfen. Reichen die weißen Armbinden als Schutz?«
»Ja. Ich sorge dafür, dass meine Männer es begreifen, mein Wort darauf.«
»Das langt mir. Ich muss nun gehen. Um mit Marcel Le Tellier zu sprechen.«
Garnier wollte einen weiteren Schritt zurück machen. Seine Augen wurden schmaler.
»Kann ich beim Lieutenant Criminel ein gutes Wort für Euch einlegen?«, fragte Tannhäuser.
»Heute nicht«, sagte Garnier. »Vielleicht ein anderes Mal.«
»Unter uns: Es gibt überall Verschwörungen.«
Während Garnier noch versuchte, diese finsteren Andeutungen zu verdauen, schaute Tannhäuser auf die Milizsoldaten. Sie drängelten sich um das Fass, warfen ihm giftige Blicke zu.
»Wie Ihr habe ich Männer im Feld befehligt. Die Moral der Truppe steht auf Messers Schneide.«
Tannhäuser wartete, bis Garnier nickte.
»Dreht euch noch nicht um«, sagte Tannhäuser. »Wenn die Mannschaften beobachten, wie wir uns gegenüber stehen, erscheinen wir ihnen als Riesen, die große Entscheidungen über ihrer aller Schicksal treffen. Und sie wollen uns unbedingt vertrauen. Sie sehnen sich danach. Ihr seid ein Menschenführer. Ihr versteht das.«
Garnier war entzückt. »Vertrauen. Sie sehnen sich danach.«
»Dieses Vertrauen kennt keine bessere Ermutigung als das Vertrauen, das ihre Hauptmänner selbst zeigen. Sich selbst und anderen gegenüber. Mein Vorschlag ist, dass Ihr mir aufmunternd auf den Rücken klopft und dann mit einem breiten Lächeln zu ihnen zurückkehrt, und dann sehen sie diese beiden Riesen, die zum Glück die gefährliche Welt ringsum im Griff haben.«
Garnier begriff, und das Lächeln auf seinem Gesicht war aufrichtig. Mehr noch, er war Tannhäuser ergeben wie ein Hund und wusste es nicht einmal.
Garnier klopfte seinem Herren auf den Rücken und wandte sich mit einem Grinsen ab. Tannhäuser lachte herzhaft, und die Bürgermiliz verwandelte sich vor ihren Augen aus einem Haufen übellauniger Faulenzer zu etwas, das zumindest einer Truppe ähnelte. Die Männer richteten sich auf. Sie traten in Reihe an. Sie präsentierten ihre Waffen. Sie lächelten, sogar Fähnrich Bonnett. Garnier, in bester Laune wegen seines erneuerten Prestiges, machte eine förmliche Verbeugung vor Tannhäuser. Der biss die Zähne zusammen und erwiderte den Gruß. Garniers Stolz war beinahe mitleiderregend.
Tannhäuser winkte die Kinder zum Karren.
Frogier starrte ihn an. Seine Stimme war nur ein Zischen.
»Zwanzig?«
»Der Hauptmann tut mir zu viel der Ehre. Die exakte Zahl war neunzehn.«
Sobald sie die Brücke überquert hatten, wies Tannhäuser die Kinder an, sich unter die Plane zu legen, und verpflichtete sie zu klösterlichem Schweigen. Ihr Weg führte sie nun durch ein Dickicht von Straßen, die Furcht und Tod und die feuchte, stickige Hitze des Spätnachmittags leergefegt hatten. Die Pension lag nördlich von Notre-Dame und ging unmittelbar auf die Seine hinaus. Das Holzgebäude war vier Stockwerke hoch und ein Zimmer breit. Laut Frogier hatte man von den oberen Fenstern hinten einen guten Blick auf die Galgen an der Place de Grève. Es war nur eine kurze Strecke gewesen, aber als Tannhäuser in den Wagen schaute, waren alle außer dem standhaften Juste eingeschlafen.
Er weckte sie nicht auf. Er folgte Frogier ins Haus
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