Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Blutnacht: Roman (German Edition)

Die Blutnacht: Roman (German Edition)

Titel: Die Blutnacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Willocks
Vom Netzwerk:
zu tun? Hat er euch zu dem Duell provoziert?«
    Juste dachte darüber nach. »Die Garden haben über Benedykt gelacht, und wir sind rübergegangen, um ihnen das Maul zu stopfen. Dominic hat die Garden zum Schweigen gebracht und zu Benedykt gesagt, sein wahrer Streit wäre mit Euch. Ja, er hat uns versichert, dass er und seine Garden sich nicht in eine Ehrensache einmischen würden. Er sagte, er wüsste nicht viel über Polen, aber kein französischer Ehrenmann würde sich eine solche Beleidigung gefallen lassen.«
    Juste verstummte, als stünde ihm erneut das schreckliche Ergebnis ihres Stolzes vor Augen.
    Tannhäuser fragte nicht weiter. Dominic hatte wenige Minuten, nachdem er ihn kennengelernt hatte, schon versucht, ihn umbringen zu lassen. Als das nicht klappte, hatte er ihn eingesperrt. Er hatte ihn daran gehindert, Carla zu beschützen, genau wie Petit Christian, der verschiedene Verzögerungen vorgeschlagen hatte, um ihn vom Hôtel d’Aubray fernzuhalten. Tannhäusers Ankunft hatte einen Plan bedroht, mit dessen Ausführung man bereits begonnen hatte. Und doch war all das bereits einen halben Tag vor dem Befehl des Königs zum Massaker geschehen. In all dem Blut und Schrecken der Nacht und des Morgens hatte er stets die Ereignisse im Hôtel d’Aubray mit dem Massaker in Verbindung gebracht. Fehlerhafte Logik hatte die beiden Dinge in seinem Kopf miteinander verwoben. Doch nun schien es ihm, als müsste das Massaker überhaupt nichts mit dem Mord an Carla zu tun haben.
    Ehe er weiter grübeln konnte, versuchte Pascale, die düstere Stimmung aufzuhellen.
    »Ich würde nach Polen gehen. Oder nach England. Ich wette, die können mehr Drucker gebrauchen.«
    »Überall werden mehr Drucker gebraucht«, sagte Tannhäuser.
    »Mein Vater hat gesagt, das hinge davon ab, was wir drucken, und dass es schlimmer ist als Mord, wenn man ein falsches Buch herstellt. Doch ich würde niemals irgendetwas drucken, das nicht wahr ist.«
    »Nun, das wissen wir«, sagte Juste.
    »Mit diesem edlen Vorsatz …« Tannhäuser erhob sich.
    Sie versuchten, eine tapfere Miene aufzusetzen, aber er bemerkte ihre Furcht.
    »Umarmt mich und wünscht mir Glück, denn ich werde es brauchen.«
    Das taten sie, und es erfrischte ihn.
    Er löste sich von ihnen und ging zur Tür.
    »Vorhin hast du gesagt, wir hätten alle einen lieben Menschen verloren«, sagte Pascale. »Wen hast du verloren?«
    Tannhäuser erstarrte. Der geteilte Schmerz wäre kein Luxus mehr. Er würde sie aneinander binden. Er drehte sich zu ihr um.
    »Carla, meine Frau, und unser Kind, das in ihrem Bauch beinahe voll ausgetragen war. Sie wurden vor dem Morgengrauen ermordet. Wie bei deinem Vater kam ich zu spät dort an.«
    Er spürte Pascales tiefes Mitgefühl. Und seine Trauer.
    Juste sagte: »Ihr sagtet, Ihr müsstet die Schuldigen finden. Geht Ihr dort hin?« Er versuchte, tapfer zu erscheinen, konnte aber seine Angst nicht verhehlen.
    »Ich komme mit«, sagte Pascale, »Ich habe mit meinem Vater gearbeitet, ich kann mit dir arbeiten, das weißt du.«
    Tannhäuser spürte, wie eine Welle aus dem großen, trüben Ozean seiner Gefühle über ihn schwappte. Er hatte zu viele Menschen verloren, die er liebte. Er hatte zu viel von dem aufgegeben, was seine besten Wesenszüge waren. Aber nicht alles, denn ihm wurde klar, dass er diese Kinder so sehr liebte, wie er je jemanden geliebt hatte. Sogar Carla. Sogar Amparo und Orlandu und Bors und Sabato Svi. Er wandte sich von den leuchtenden Augen ab, die ihn anbetend anschauten.
    »Ein Mädchen kann Dinge tun, die du nicht tun kannst«, sagte Pascale, »an Orte gehen, wo du nicht hinkommst.«
    Wenn es ihm gelang, Orlandu und diese kostbaren neuen Freunde aus Paris herauszubekommen, warum musste er dann noch Rätsel lösen? Carla war tot. Gerechtigkeit war eine Illusion, Rache kein Lebenselixier, sondern ein Gift. Wenn er Carlas Mörder jagte und bestrafte, würde das niemanden außer ihn trösten, und das auch nur für kurze Zeit. Konnte er ohne diesen Trost leben? Brust und Hals wurden ihm eng. Er ballte die Fäuste. Sein Instinkt sagte ihm, dassdieser Trost ein kleiner Preis für das Leben dieser kostbaren Freunde sein würde.
    Er schaute wieder zu Pascale. Er sah ihre Liebe. Er sah ihre Sehnsucht. Sie sehnte sich nicht nach dem Leben, sie sehnte sich danach, irgendwo dazuzugehören. Und so schwer es ihm auch fiel, er musste sich eingestehen, dass auch er genau diese Sehnsucht verspürte.
    »Ich sehe nach, ob Carlas sterbliche

Weitere Kostenlose Bücher